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Schluss mit People Pleasing: Wie du es öfter schaffst, Nein zu sagen

Ein Ja hier, ein Nicken dort: Ständig anderen gerecht zu werden, kann ermüden. Permanentes People Pleasing ist kein Akt der Höflichkeit, sondern kann zur Gefahr für dich selbst werden. Doch bevor es so weit kommt, solltest du lernen, Nein zu sagen.

«Na klar, kann ich machen». «Kein Thema, übernehme ich», «Mach ich sofort» oder: «Ist so gut wie erledigt». Viele Menschen können nicht Nein sagen, tun anderen ständig einen Gefallen. Deshalb sind sie beliebt und kommen gut an, aber sich selbst manövrieren sie in immer größere Probleme und Abhängigkeiten. Der Worst-Case? Die chronische Überlastung, die komplette Handlungsunfähigkeit, bis hin zum Burnout. Und erst dieser ist pathologisch. Alles davor ist, wie mir Prof. Dr. Wolfgang Lalouschek erklärt, «antrainiert und vielleicht gesellschaftlich auch so gewollt». In jedem Fall aber nichts, was sich diagnostizieren lässt.

Was der Facharzt für Neurologie und Coach zur Prävention und Behandlung von Burnout und stressbedingten Erkrankungen damit meint? Egal, ob im Kindergarten, in der Schule oder in der Kindeserziehung: Nein-Sagen, sich verweigern, Dinge und Aufgaben in Frage stellen ist nichts, was Menschen überall und ganz natürlich schon von klein auf lernen. Und auch wenn das Bild etwas drastisch gemalt ist, eins ist klar: Nein-Sagen will gelernt sein und ist selbst Führungskräften nicht in die Wiege gelegt.

Ja-Sagen: Was tun gegen ständiges «People Pleasing»?

Aber was tun, wenn das «Nein» so schwer über die Lippen geht? Tabletten oder Medikamente gibt es dagegen nicht, Nein-Sagen zu lernen ist «keine Behandlung, sondern eine Aufgabe», sagt Lalouschek. Was hilft, ist ein «In-sich-Kehren», eine sogenannte Standortbestimmung, wie sie der Experte nennt: «Wer immer Ja sagt, hat vergessen darauf zu hören oder zu achten, was er oder sie selbst will.» Und davon sind nicht nur Verhaltensweisen und Gedanken betroffen, sondern sogar selbst Gefühle. Alles richtet sich nach den Wünschen und Bitten anderer, kein Wunsch wird ihnen abgeschlagen, schon gar nicht den Kollegen oder der Chefin. Aber wie funktioniert sie, diese Standortbestimmung?

«Menschen, die zu mir kommen und sagen, dass sie öfter nein sagen wollen, frage ich immer erst: Um was ...? Was wollen sie mit einem Nein erreichen?» Das eine sei nämlich nur der Weg, das Wie. Viel wichtiger sind aber die dahinterliegenden Gründe, also das Warum.

Nur wer wisse, was er oder sie will, beispielsweise mehr Zeit für sich selbst oder mehr Freiraum, könne die richtigen Schritte in diese Richtung unternehmen. Und erst dann macht Nein-Sagen auch Sinn.

Einfache Hilfsmittel: Schluss mit dem Ja-Sagen ganz ohne Therapie

Intrinsisch – so heißt das Fachwort für das, was von innen herauskommt, also auch die Motivation, der Antrieb dafür, Neues zu wagen. Und das muss grundlegend vorliegen, wenn man dem Ja-Sagen wirksam begegnen will. Unterstützen lässt sich dieser intrinsische Wunsch, am eigenen Jasager-Verhalten etwas zu verändern, mit einem einfachen Hilfsmittel:

Ein Blatt Papier mit einer Skala von 1 (= ich stimme gar nicht zu) bis 10 (= ich stimme voll zu) kann dir helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Und diese Skala musst du noch nicht einmal wirklich vor dir auf dem Papier haben – es reicht, sich etwa bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht immer wieder zu fragen: «Will ich das?»

Auf diese Weise kann man (ob nur in Gedanken oder tatsächlich auf dem Zettel vor sich) ganz einfach einen Punkt auf der Skala setzen und somit für sich – noch bevor das Gegenüber einen Wunsch geäußert oder eine Aufgabe gestellt hat – festhalten, ob man das wirklich machen will. Der Vorteil: Niemand weiß davon, noch ist nichts ausgesprochen, aber gedanklich ist damit bereits fixiert, dass ein Nein vielleicht eher angebracht ist als ein Ja.

People Pleasing ist normal: Wir alle wollen dazugehören

Dabei darfst du jedoch nicht vergessen: Ja-Sagen, und damit anderen Menschen gefallen zu wollen, ist etwas völlig Normales. Im sozialen Kontext, so schreibt auch die Universität von Adelaide, Australien, sei jedoch entscheidend, wie weit man damit gehe. Denn ständiges People Pleasing kann dazu führen, dass du dich selbst verlierst und vergisst, auf dich und deine Wünsche zu hören. Damit das nicht passiert, solltest du auch folgende Dinge beachten:

Wie du lernst, öfter Nein und seltener Ja zu anderen zu sagen

- Selbstreflexion: Nimm dir Zeit, um herauszufinden, warum es dir so wichtig ist, vor allem andere Menschen und nicht dich selbst glücklich zu machen.

- Grenzen setzen: Nein-Sagen ist nicht leicht, aber wie am Beispiel der Skala schon beschrieben, ist es wichtig, dass du dir Grenzen setzt – zuerst gedanklich und dann in der Praxis.

- Tu dir selbst was Gutes: Sich um sich selbst zu kümmern, ist kein egoistischer Akt, sondern wichtig. Erst wenn es dir gut geht, solltest du Kraft und Energie dafür aufwenden, anderen zu helfen.

- Offene und ehrliche Kommunikation: Gedanken, Gefühle und Sorgen solltest du offen aussprechen. Und scheue dich auch nicht, die Hilfe anderer in Anspruch zu nehmen oder sie einzufordern. Ja, auch du darfst um Unterstützung bitten.

- Bleibe dir selbst treu: Damit du nicht vergisst, was dir wirklich wichtig ist, kannst du eine Liste mit Dinge anfertigen, die für dich unverrückbar sind. Lass dich von ihr leiten und erinnere dich immer wieder daran – diese Liste kann auch neben dem Spiegel oder in der Küche hängen.

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Notizbuch, Kamera, Laptop oder Smartphone. Leben heißt für mich festhalten – analog oder digital. Immer mit dabei: mein iPod Shuffle. Die Mischung macht’s eben. Das spiegelt sich auch in den Themen wider, über die ich schreibe.


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