

Sie zaubert aus tristen Büros grüne Oasen

Pflanzen erobern sich die Städte zurück. Zumindest, wenn es ums biophile Design geht. Mit dem Pflanzenkonzept verwandelt Marie Henze von Mary & Plants Schweizer Büros in urbane Dschungel. In einem war ich zu Besuch.
Teer, Stein, Metall – welch Betonwüste das Zürcher Industriequartier doch ist, denke ich mir, als ich an einem sommerlichen Vormittag unter der Hardbrücke hindurchgehe. Meine Augen lechzen nach etwas Grünem, Lebendigem, nach einer Oase.
Endlich ist sie in Sicht: Ich stehe vor dem Hauptsitz von Too Good To Go. Die Firma, die Lebensmittel vor der Entsorgung rettet, hat ihre Büroräume vom Online-Pflanzenshop Mary & Plants in einen urbanen Dschungel verwandeln lassen. Und zwar mittels biophilem Design. Das muss ich mit eigenen Augen sehen. Hinauf geht’s über die Dächer der Stadt, hinein in die grüne Oase.

Quelle: Darina Schweizer

Quelle: Darina Schweizer
Mit Georgina Smith, People & Culture Coordinator bei Too Good To Go, und Marie Henze, Gründerin von Mary & Plants, geht' s durchs grüne Grossraumbüro und hoch in den Essbereich. Hier spriesst es überall: Aus einem Holztrog wachsen passend gemusterte Dieffenbachien, Schusterpalmen, Farne und Bogenhanf. Stattliche Monsterablätter überdachen eine Rundbank in der Mitte des Raums. Dahinter ragen eine Geigenfeige und eine Strelitzie in die Höhe. «Das gibt’s doch nicht», entfährt es Mary. «Wie gross sie geworden ist.» «Ja, es gefällt ihr bei uns», sagt Georgina strahlend.

Quelle: Mary & Plants
Ein Jahr ist es her, dass Marie die Räumlichkeiten von Too Good To Go biophil eingerichtet hat. Vorstellen kann man sich ihren Job ähnlich wie den einer Innendekorateurin. Nur, dass ihre Einrichtungsgegenstände keine Möbel, sondern Pflanzen sind. Was die gelernte Landschaftsarchitektin zuvor in Parkanlagen machte, hat sie nach drinnen verlegt.
Und das Geschäft floriert. Bereits 50 Prozent von Maries Pensum bei Mary & Plants nimmt das biophile Design ein. Den grossen Boom gab’s nach Corona. Als es nach dem Shutdown wieder «Zurück in die Büros!» hiess, sehnten sich Mitarbeitende nach der heimeligen Atmosphäre von zu Hause. Viele Firmen entschieden daraufhin, ihre Räume grüner zu gestalten. Der perfekte Nährboden für Maries Pflanzenkonzept.

Quelle: Darina Schweizer
Georgina macht sich wieder an die Arbeit und lässt Marie und mich durch die Räume streifen. Die Pflanzenexpertin erklärt mir, wie sie beim biophilen Design vorgeht. Im Zentrum steht die Philosophie eines Unternehmens. «In eine junge, moderne Firma passen schnuckelige Kakteen und verspielte Hängepflanzen. In eine Anwaltskanzlei hingegen gehört etwas Stattliches wie etwa eine grosse Strelitzie, Geigenfeige oder ein Bucida-Baum.» Wenn sich Marie Gewissheit über die Philosophie verschafft hat, macht sie sich ein Bild von den Räumlichkeiten. Wie gross sind sie? Wie viel und von wo fällt Licht hinein? Wo stehen Heizungen und Lüftungen?
«Am besten ist es, wenn ich schon bei Planungsbeginn dabei bin», sagt Marie. Bei Too Good To Go etwa konnte sie mit dem Innenarchitekten die Pflanzentröge gemeinsam planen und an die Grösse und optimalen Standorte anpassen. «Wenn ich erst am Ende hinzugerufen werde, kann es passieren, dass die Gefässe zu niedrig designt oder an dunklen Orten installiert sind. Dann muss ich den Kunden sagen, dass das, was sie sich vorstellen, nicht mehr umsetzbar ist oder aufgrund von Anpassungen mehr kostet», so Marie.

Quelle: Darina Schweizer
Die Kosten für biophiles Design werden oft unterschätzt. Eine Büroeinrichtung bewegt sich meist im mittleren vierstelligen bis tieferen fünfstelligen Bereich. Gerade grosse Pflanzen und individuelle Gefässe haben ihren Preis. «Dafür biete ich einen speziellen Service», sagt Marie zwinkernd. Pflanzen, die im ersten Monat sterben, ersetzt sie gratis. Und sie besucht die begrünten Räume im ersten Jahr zweimal zur Kontrolle. Auch können Kunden ihr bei Problemen Bilder schicken oder sich telefonisch beraten lassen.
Dass Marie vor Euphorie aufblüht, wenn es um Pflanzen geht, ist unübersehbar. Bei jedem Grünling hält sie kurz inne und begutachtet fasziniert neue Blätter und Zweige. Ihr Job kann aber auch mal an die Substanz gehen. Je länger je mehr sind die Kundenvorstellungen eines grünen Innenraumes von Social-Media-Bildern geprägt und auf die Bürosituation nicht 1:1 anwendbar. Oder, der andere Extremfall: Es gibt gar keine klare Vorstellung von der künftigen Büroumgebung. «In beiden Fällen braucht es gutes Einfühlungsvermögen», erklärt Marie.

Quelle: Darina Schweizer
Besonders tricky war eine IT-Firma, die sie engagierte. «Die Office Managerin wollte alles grün haben. Die Mitarbeitenden hatten aber kein sonderliches Interesse an Pflanzen», sagt sie. «Da musste ich mir was einfallen lassen.» Bei der Durchsicht ihres Pflanzensortiments stach Marie etwas ins Auge: die Calathea Network. Eine Zimmerpflanze mit einer speziellen Blattmusterung, die an die Pixelstruktur einer Matrix erinnert. «Das hat die IT-ler komplett begeistert», erinnert sich Marie lachend. «Schliesslich entstand eine regelrechte Challenge, wessen Pflanze am besten wächst. Alle begannen, sich um ihre Calathea zu kümmern.»
Wenn es auf diese Weise gelingt, Menschen wieder mit der Natur zu verbinden, dann ist das biophile Design geglückt. Marie sagt: «Ich würde mir wünschen, dass die Stadt überall ergrünt und sich die Natur einen Teil zurückerobert.» Einen ersten Schritt Trieb in diese Richtung hat eine Efeutute bei Too Good To Go gemacht. Sie rankt einen Fensterrahmen empor, indem sie sich mit kleinen Haftwurzeln an der glatten Oberfläche festhält. Marie staunt. Und die Betonwüste hinter ihr scheint beinahe zu verblassen.

Quelle: Darina Schweizer
Falls du dein Büro selber schnell und unkompliziert biophil einrichten möchtest, gibt es von Mary & Plants diese Office Box:

Hast auch du dein Büro oder Wohnzimmer in eine grüne Oase verwandelt? Schreibe es in die Kommentare.


Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.