Hintergrund

«Sind wir schon da?»

Bald sind wieder Sommerferien. Für Viele bedeutet das: Ab auf die Strassen Europas. Das ist meistens nur bedingt angenehm – ich spreche aus Erfahrung. Doch es gibt ein paar Dinge, die Abhilfe schaffen (können).

Ich habe vier Geschwister. Was schon im Alltag häufiger mal zur Qual wird, findet seinen Höhepunkt im Auto. Kurze Fahrten gehen ja noch. Den Lärmpegel atme ich einfach weg oder spreche zur Not auch mal ein Machtwort. Aber, wenn du mehrere Stunden im engen PKW verbringst, kann's ganz schön anstrengend werden. Dazu muss ich erwähnen, dass zwischen mir, der Ältesten, und meinem jüngsten Bruder 15 Jahre liegen. Das heisst, dass auf früheren Reisen vom quengeligen Säugling bis zur motzenden Teenagerin alles dabei war. Diese super Truppe stopfst du jetzt in ein Auto und fügst noch zwei Elternteile und einen Hund hinzu. Unabhängig davon, ob du die Situation kennst oder nicht, ich glaube, du kannst dir die Ausgangslage in etwa vorstellen.

Während vieler Jahre sind wir im Sommer gut 660 Kilometer nach Österreich gefahren. Dort angekommen, fingen unsere Kinderaugen sofort an zu glitzern. Direkter Seezugang, ein riesiger Garten und meist auch viele Cousins und Cousinen im selben Alter. Wir waren den ganzen Tag draussen, ob zu Wasser oder zu Lande. Unserer Fantasie sind hunderte mehr oder weniger intelligente Spiele entsprungen. Alles wunderbar. Aber wir mussten halt erst einmal dort ankommen.

Sieben Personen, ein Hund, ein Auto. Wegen unserer Hündin ist auch gleich der Kofferraum voll, also heisst es Dachbox montieren oder noch besser, Anhänger. Super, so dauert die Fahrt noch länger! Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h lässt sich halt kein spontanes Strassenrennen gewinnen.

Nun gut, wir sind alle drin. Die ersten paar Meter herrscht Friede, Freude, Eierkuchen. Vielleicht wird’s ja dieses Mal ganz angenehm? Denkste. Schon beginnt das Gezeter zwischen den Jungs. Besonders schön, wenn man dabei als Puffer in der Mitte sitzt. Ich versuch’s mit den üblichen Autospielen: «Ich sehe was, was du nicht siehst» oder Kennzeichenraten. Das läuft eine Weile ganz gut, aber irgendwann haben entweder meine Brüder oder ich keine Lust mehr. Okay, meistens ich. Ich staune über das Durchhaltevermögen von Kleinkindern. Einmal einen Floh ins Ohr gesetzt, kommst du aus der Sache nicht mehr raus. Derweil hechelt es ganz schön intensiv von hinten. Unser Golden Retriever ist kein Fan von langen Fahrten. Willkommen im Club.

Gerade als ich dachte, das Gröbste sei durch, wird einer meiner Brüder immer blasser. Noch kein Grund zur Panik, erst einmal abwarten. Doch schon bald geht das Gewürge los. Die Reisekrankheit lässt grüssen. Es folgen ein paar ungeplante Stopps. Immerhin kann ich mir dadurch etwas die Beine vertreten. Und wir haben etwas daraus gelernt. Dieses Kind sitzt von nun an vorne. Das ist aber nicht das Einzige, das ich aus diesen jahrelangen Odysseen mitnehme. Ich habe gelernt, wie Autofahrten möglichst entspannt ablaufen. Natürlich gibt es keine Garantie, aber es gibt Dinge, die mein und dein Leben deutlich vereinfachen.

Füsse vertreten

Wer keinen Stress hat, sollte öfter mal auf einem Rastplatz Halt machen. Bei uns wurde das durch hechelnde Hunde und kotzende Kinder automatisch zur Notwendigkeit. Aber auch ohne diese Begleitumstände lohnt sich etwas frische Luft, um den Kopf durchzulüften. Ein paar Lockerungsübungen nach so langem Sitzen schaden auch nicht. Und wegen der ganzen kühlen Softgetränke drückt wahrscheinlich auch ab und zu mal die Blase. Nach der Pause können auch mal die Plätze im Auto getauscht werden, so ergeben sich eventuell angenehmere Dynamiken.

Dehnen-Lockern-Entspannen (Deutsch, Christian Kunert)
Ratgeber

Dehnen-Lockern-Entspannen

Deutsch, Christian Kunert

Immer, wenn der kleine Hunger kommt

Essen und Trinken ist wichtig. Bei etwa acht Stunden im Auto kommen irgendwann auch Hunger und Durst. Ist nichts mehr da, ist das Gejammer gross. Und dies gilt es ja zu vermeiden. Damit das Softgetränk deiner Wahl schön kalt ist und die Mayo im Wurstbrötchen nicht anfängt, ranzig zu werden, empfiehlt sich eine Kühlbox. Schön ist, wenn nicht alles zwischen Tür und Angel im Auto gefuttert, sondern als Art Picknick in einer längeren Pause auf einem schönen Rastplatz angerichtet wird.

Spielend leicht

Wie oben schon kurz erwähnt, können Autospiele echte Ablenkung bringen. Zumindest für einen begrenzten Zeitraum. Dabei nimmst du auch noch deine Umgebung wahr. Dauerbrenner bei uns war «Ich sehe was, was du nicht siehst». Der Gegenstand sollte aber relativ schnell erraten werden, da er sonst aus dem Gesichtsfeld der Mitspieler verschwindet. Auch gut ist «Kennzeichenraten» für etwas ältere Kinder oder «Ich packe meinen Koffer...». Für wen Reisekrankheit nur ein abstrakter Begriff ist, der kann sich auch physische Reisespiele zu tun.

Schmidt Spiele 8 Reise-Spiele - Magnetisch (Deutsch)
Sonstige Spiele
−5%
CHF20.70 statt CHF21.90

Schmidt Spiele 8 Reise-Spiele - Magnetisch

Deutsch

Musik in deinen Ohren

Sehr wichtig: Das richtige Liedchen lässt die Laune in ungeahnte Höhen schnellen. So wird das Gequengel immerhin für drei, vier Minuten ausgeblendet. Am schönsten ist es, wenn (fast) alle den Song kennen. Eine gemeinsame Träller-Einlage fördert das Gemeinschaftsgefühl ungemein. Wem Radio zu wenig Substanz bietet, der stellt sich eine eigene Playlist auf dem Smartphone zusammen oder brennt sich, wie in den guten alten Zeiten, eigene CDs.

Sonnenblenden stellen dich in den Schatten

Stehende Hitze ist nichts fürs Gemüt. Und geblendet wird man von der Sonne auch immer. Wir haben meistens Handtücher oder Kleidungsstücke ans Fenster gehängt. Dazu musste ein Teil des Textils ins Fenster geklemmt werden. Grösste Herausforderung: Den Stoff an Ort und Stelle zu halten, ohne dabei die Finger einzuklemmen. Mit Sonnenblenden geht das deutlich einfacher.

In die Röhre schauen

Ich weiss, richtig pädagogisch wertvoll ist diese Lösung nicht. Aber stundenlanges Gezeter, Gejammer und Geheule ist eben auch nicht richtig wertvoll für meine Nerven. Du musst deine Kinder ja auch nicht die ganze Zeit vor der Glotze parken, aber ein kurzer Film zwischendurch kann wahre Wunder bewirken. Auch wenn du dir dadurch die Tonspur zu Winnie Puuh und einem lispelnden Murmeltier reinziehen musst.

Kühles Lüftchen für hitzige Gemüter

Meine allerliebste Fahrt war die, auf der die Klimaanlage ausfiel. Wir standen gerade in einem kilometerlangen Stau und draussen herrschten Temperaturen nahe am Siedepunkt. Der perfekte Zeitpunkt also, um auf kühle Luft zu verzichten. Türen und Fenster wurden aufgerissen, zu Fuss neben dem Auto hergelaufen und aus allen möglichen Dingen wurden Fächer gebaut. Half alles nichts. Schwitzend kamen wir am Ziel an, rissen uns die Kleider vom Leib und sprangen erst einmal in den See.

Und ja, ich weiss. Früher gab’s auch keine Klimaanlagen, habe ich selbst noch erlebt. Und ja, dann ging das auch irgendwie. Aber hat man sich erst einmal an den Luxus gewöhnt, ist es schwer, ohne zu leben. Ein kompakter Ventilator hätte unsere Qualen bestimmt gelindert...

Schön war’s trotzdem

Diese Fahrten waren aber nicht nur lang und anstrengend, sie waren in irgendeiner verworrenen Art auch schön. Vielleicht habe ich eine verzerrte Wahrnehmung, ausgelöst durch Nostalgie. Aber es war irgendwie toll, die ganze Mannschaft auf einem Haufen zu haben. Ein bisschen länger und tiefgründiger miteinander zu quatschen. Die Jungs hatten neben all den nervigen auch ihre süssen und liebenswerten Momente. Alle Missgeschicke wurden zu Running Gags, die noch heute zu amüsieren wissen. Und natürlich schwang auch immer ganz viel Vorfreude mit. Die Fahrt gehörte einfach zum Urlaub dazu. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.

Du bist auch öfters genervt von langen Autofahrten? Dann folge mir und verpasse keinen Beitrag mehr.

13 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    «Unsere Ferien beginnen dann, wenn ihr wieder in die Schule geht»

    von Martin Rupf

  • Hintergrund

    Mikroabenteuer statt Fernreise: Erlebe die Welt vor deiner Haustür

    von Olivia Leimpeters-Leth

  • Hintergrund

    Dem Laufen auf der Spur: Die Schuh-Detektivin ermittelt

    von Michael Restin

Kommentare

Avatar