
Produkttest
Alarm-Schloss von Abus: Schlägt die Nervensäge den Bolzenschneider in die Flucht?
von Michael Restin
Neuerdings sitzt ein kleiner Zyklop auf meinem Vorbau. Das Einauge zeigt mir den Weg, macht Licht, sichert mein Bike, trackt meine Fahrten und informiert mich bei Anrufen oder SMS. All das hatte ich nicht zwingend vermisst – und den SmartHalo trotzdem ins Herz geschlossen.
Wenn du Pragmatiker bist, kannst du direkt wieder aufhören zu lesen. Ohne ein gewisses Faible für Gadgets wird es mit dir und dem SmartHalo nichts werden. Wird L-I-F-E-S-T-Y-L-E bei dir gross geschrieben, bist du dagegen goldrichtig. SmartHalo wurde über Kickstarter finanziert und das passt wie die Faust aufs Zyklopenauge. Im Sammelsurium der world’s best Irgendöppis-Innovationen räumt ein schick designtes Teil, das verspricht, dein Velo smart zu machen, naturgemäss ab. Die Kampagne brachte dem Unternehmen CycleLabs aus Montreal über eine halbe Million kanadische Dollar ein und den SmartHalo 2016 auf den Markt. Seither wurde weiter an der Software gebastelt und ich bin gespannt, ob das Teil mein Velo-Leben tatsächlich lebenswerter machen kann. Als urbaner Allesbiker, der offen für Neues ist, bin ich so etwas wie die fleischgewordene Zielgruppe. Für mich ist es erst mal ein spannendes Spielzeug, für den Hersteller «eine langfristige Vision davon, wie Fahrräder die Gesellschaft verbessern können.» Jaja. Kickstarter-Grössenwahn vom Feinsten.
Wenn du direkt mehr über die Funktionen wissen willst, scrolle etwas nach unten. Dort findest du meine Erfahrungen mit...
..der Navigation
...dem Licht
...dem Alarm
...dem Fitness-Tracker
...dem Telefon-Assistenten
Hier geht es ganz von vorne los: mit dem Auspacken und Installieren.
Ein bisschen Apple-Feeling muss natürlich sein, wenn man als Produktdesigner etwas auf sich hält. Drum liegt der SmartHalo in einer schicken schwarz-weissen Verpackung und ohne viel Zubehör vor mir. Das Gerät ist im Schlummerzustand unscheinbar. Ein sanft gerundeter schwarzer Klotz mit rundem Display und Micro-USB-Eingang unter einer Gummiabdeckung. In weiteren Kartonschachteln finden sich die Einzelteile der Halterung, Schrauben, ein Inbusschlüssel, Gummieinsätze für verschiedene Breiten des Lenkerrohrs, Schablonen zur richtigen Positionierung, der «HaloKey» (bloss nicht verlieren!) und ein USB-Kabel. Statt einer Anleitung gibt’s den Verweis auf die App, ohne die beim SmartHalo ohnehin nichts geht. Auch wenn das Produkt appelig daherkommt, gibt es natürlich eine Android-Version, die ich mir installiere. Du brauchst mindestens iOS9 oder Android 4.4.4. Aber wenn du sogar dein Velo smarter machen willst, hast du sicherlich auch ein hinreichend smartes Smartphone.
Kaum hänge ich den SmartHalo zum Aufladen an den Strom, sendet er ein erstes Lebenszeichen in Form eines grünen Lichts in der Mitte des Displays, das erstaunlich matt ist. Ich kontrolliere nochmal, ob ich die Schutzfolie wirklich schon abgezogen habe, aber sie ist weg. Muss wohl so sein. Der Ladezustand wird durch den LED-Kreis am Rand dargestellt, womit auch schon alle Anzeigemöglichkeiten beschrieben wären. Ein Punkt, ein Kreis und verschiedene Farben – das war’s. Ach ja: piepsen kann er auch noch. Der SmartHalo ist im Grunde eine hübsche Mogelpackung. Denn so ziemlich alles, was ihn smart macht, will er sich von meinem Handy holen. Zuerst muss ich einen Account anlegen, der dann mit dem SmartHalo verknüpft wird und verhindert, dass sich sonst irgendjemand damit verbinden kann. Die Verbindung der Geräte soll aus der App heraus funktionieren. Bluetooth ist aktiviert, der SmartHalo wird auch angezeigt, aber die Geräte lassen sich bei mir zunächst nicht koppeln. Über die FAQ auf der Seite des Herstellers erfahre ich, dass ich auch noch die Standortfreigabe erteilen muss. Nun finden sich die Geräte und der SmartHalo saugt sich gierig ein Update.
Mit der Halterung und ihren Gummieinsätzen passt der SmartHalo auf Lenkerrohre von 31,8, 25,4 oder 22,2 mm Durchmesser. Die beiden Teile müssen in 4,5 cm Entfernung voneinander links und rechts des Vorbaus installiert werden. In der App werde ich mit anschaulichen Animationen durch die verschiedenen Schritte der Installation geführt. Mit der beiliegenden Schablone messe ich den Durchmesser meines Lenkerrohrs (31,8 mm), bekomme den Hinweis, dass ich die vier kurzen Schrauben verwenden und bloss nichts kaputt machen soll, setze die Plastikhalterungen um’s Rohr und das Metallteil, in das der SmartHalo einrasten soll, obendrauf. Schrauben etwas eindrehen, mit einer zweiten Schablone den Abstand zwischen linker und rechter Hälfte optimieren, Schrauben festziehen, fertig.
Die veranschlagten 15 Minuten Installationszeit sind schon sehr grosszügig bemessen. Mir ist dreimal der Inbusschlüssel samt aller Einzelteile zu Boden gefallen und ich habe die Halterung zunächst seitenverkehrt angebracht. Trotz des damit verbundenen Fluchens und Suchens hat die Aktion keine 10 Minuten gedauert. Ist die Halterung fixiert, fehlt nur noch der SmartHalo selbst. Um ihn zu befestigen braucht es den HaloKey, der magnetisch an die Gehäuseseite geheftet wird und dafür sorgt, dass das Gerät einrasten kann. Nun sind die Schrauben verdeckt und alles wirkt wie aus einem Guss. Als hätte der SmartHalo seinen angestammten Platz eingenommen. Sobald der HaloKey entfernt ist, lässt er sich dann nicht mehr abnehmen. Das ist der Clou der Konstruktion. Eine Akkuladung soll bei einer Stunde täglicher Nutzung für drei Wochen reichen. Dann solltest du dich noch erinnern können, wo du den HaloKey gelassen hast. Das kleine Plastikteil gibt’s nämlich nur einmal – und wer will schon das ganze Velo zur Steckdose zerren?
Auf die Navigationsfunktion bin ich am meisten gespannt, deshalb probiere ich sie auch als erstes aus und aktiviere sie in meiner Testwoche auf allen Strecken, die ich zurücklege. In der App zeigt sich, dass der SmartHalo Google Maps anzapft. Entsprechend vertraut ist die Suche und das Kartenmaterial über jeden Zweifel erhaben. So muss es auch sein, schliesslich soll mich der SmartHalo auf dem Velo durch die Stadt lotsen und das bringt es nur, wenn er auch den einen oder anderen Schleichweg kennt. Bevor ich auf’s Velo steige, muss ich die App öffnen, Bluetooth und die GPS aktiviert haben, das Ziel eingeben, eine Route wählen und auf Start drücken. Offline zu navigieren ist nicht möglich. Ist die Routenführung gestartet, kann ich das Handy im Hosensack versenken. Sobald ich mich meinem Velo nähere, erwacht der SmartHalo zum Leben und signalisiert, dass er weiss, wo es langgeht. Das macht er so: Bist du auf dem richtigen Weg, leuchtet das Licht in der Mitte grün. Näherst du dich einer Abzweigung, gibt er einen Hinweiston von sich, der in der Lautstärke regulierbar und auch ausschaltbar ist. Am Rand des Displays beginnen die LEDs des Kreises zu leuchten, die in Richtung der zu fahrenden Kurve zeigen. Je näher du kommst, desto mehr davon leuchten grün. Ist die Abzweigung erreicht, blinken alle grün.
Anfangs habe ich gedacht, der Hinweiston würde mich nerven. Aber irgendwie scheint das akustische Feedback ein Belohnungszentrum in meinem Gehirn anzusprechen. Als wäre ich wieder 11 und würde mit Super Mario Münzen sammeln. Ein «Pling!» vor jeder Kurve. Die Gamification meines Alltags schreitet voran und mir gefällt’s, meinem Sohn auf dem Kindersitz sowieso. Der meldet sich auch alle paar Meter zu Wort und ich verstehe nicht immer sofort, was er eigentlich will – genauso ist’s nun mit dem SmartHalo. Zunächst fahre ich nur gewohnte Wege und ignoriere die Navigation entsprechend, wenn sie von meinem Plan abweicht. Folge ich dem Hinweis nicht, rollt mein Zyklop mit den Augen – der LED-Kreis blinkt reihum – bis die Route neu berechnet ist. Das geht fix.
Als ich das erste Mal wirklich auf die Navigation angewiesen bin, merke ich, dass es doch ein wenig Übung braucht die Hinweise richtig zu deuten. In den ersten 10 Minuten verpasse ich einige Abzweigungen und rätsle mehrfach, wohin mich der SmartHalo schicken will. Nach und nach kann ich ihn besser interpretieren. Die Navigation berücksichtigt tatsächlich auch die eine oder andere kleine Gasse, die schnell verpasst ist. Auf Abschnitten, die du besser nicht befahren, sondern schiebend passiert solltest, leuchten die LEDs gelb. Natürlich halte ich mich wie jeder gute Velofahrer nicht immer daran. Wenn du dein Ziel nicht kennst, den Weg aber trotzdem selber suchen willst, gibt es noch eine zweite Form der Navigation: Dabei funktioniert der SmartHalo als Kompass und zeigt dir an, in welcher Richtung dein Ziel liegt. Anfangs rot, je näher du kommst immer grüner. Bist du am Ziel, leuchtet der Kreis auf und du wirst mit einer kurzen Melodie belohnt. Level completed!
Kurz: Die Navigation funktioniert und bringt Spass, es braucht aber etwas Zeit, bis du mit den Anzeigen vertraut bist.
Nach vorne strahlen am SmartHalo zwei weisse LEDs. Du kannst sie entweder von Hand über das berührungsempfindliche Display einschalten, dazu tippst du einfach zweimal drauf. Passiert mir gerne mal aus Versehen. Auf dieselbe Weise kannst du es wieder ausschalten, das musst du aber nicht. Denn wenn dein Velo steht, geht das Licht nach einer Weile von selbst wieder aus. Die Helligkeit lässt sich über die App regulieren, ausserdem kannst du dort zwischen Blinkmodus und Dauerlicht umschalten und die Lichtautomatik aktivieren. Dann schaltet es sich bei Dunkelheit von selbst ein und auch wieder aus, sobald es nicht mehr benötigt wird oder du dich vom Velo entfernst. Das funktioniert bei mir zuverlässig und die Helligkeit ist ausreichend, um gesehen zu werden. In der Stadt reicht das, für mich geht die Funktion in Ordnung.
Kurz: Es ist ein Licht, um das du dich dank der Automatik nicht weiter kümmern musst. Nicht mehr und nicht weniger.
Hier wird es wieder spannend. Da der SmartHalo ohne entsprechenden Key nicht einfach abgenommen und geklaut werden kann, bleibt er im Alltag am abgestellten Velo. Und wenn er schon mal da ist, kann er es auch gleich bewachen. Neulich war ich mit dem Abus Bordo Alarm unterwegs. Einem Schloss, das mit 100 Dezibel losheult, sobald sich im geschlossenen Zustand jemand länger daran zu schaffen macht. Damit bin ich nicht glücklich geworden. Unter anderem deshalb, weil es sich nur durch Aufschliessen deaktivieren lässt und mich durch ständige Warntöne auch als Besitzer unnötig stresst.
Der Alarm des SmartHalo funktioniert ganz ähnlich, hat aber einen entscheidenden Vorteil: Nähere ich mich mit aktiver App auf dem Handy, erkennt das Gerät mich als Besitzer und deaktiviert den Alarm. Ist mein Handy nicht dabei oder der Akku leer, habe ich ausserdem die Möglichkeit, die Wachhund-Funktion über meinen «tapcode» auszuschalten.
Der tapcode ist ein fünfstelliger Morsecode, den du bei der ersten Aktivierung festlegen kannst und über das Display eingibst. Lang drücken, kurz drücken in beliebiger Reihenfolge. Als rhythmisch begabter Mensch kannst du ihn dir vielleicht merken, ich kann’s nicht und sollte besser die «tapcode reminder card» (noch ein Stück Karton im Kreditkartenformat) ausfüllen und dabeihaben. Habe ich aber natürlich nicht, als ich die Funktion das erste Mal ausprobiere. Ich aktiviere den Alarm in der App, schliesse sie und mache mir vorsichtig an meinem Velo zu schaffen. Der SmartHalo erkennt die Bewegung und reagiert mit einer optischen Warnung. Erst leuchten nur die LEDs rot auf. Kurz darauf kommen Warntöne dazu. Dann geht schliesslich der Alarm los. Und, verdammt, er ist wirklich laut! So laut, dass ich am liebsten weglaufen würde und sich die paar Sekunden, bis ich das Inferno im dritten Versuch über den tapcode abgestellt bekomme, wie Kaugummi in die Länge ziehen. In der Video-Demo bin ich schon damit vertraut, ausserdem habe ich nach dem ersten Schock den denkbar einfachsten tapcode gewählt und den Ton so gepegelt, dass dir nicht gleich die Ohren wegfliegen.
Lärm machen kann der SmartHalo also. Was er leider nicht kann, ist dich darüber zu informieren, dass er den Alarm ausgelöst hat. Wenn du nicht in Bluetooth-Reichweite bist oder den Alarm hörst, bekommst du nichts mit. Und sollte dein Velo verschwunden sein, siehst du in der App nur den letzten Standort, an dem das Gerät mit deinem Handy verbunden war. Willst du die Alarmfunktion dauerhaft nutzen, musst du mit dem SmartHalo verbunden sein, wenn du unterwegs bist. Falls deinem Smartphone mal der Saft ausgeht, gibt’s also Lärm und du brauchst den tapcode. Wie war der doch gleich?
Kurz: Der Alarm löst aus und ist laut. Sobald sich dein Handy mit dem SmartHalo verbindet, geht er aus. Trotzdem solltest du den tapcode immer parat haben. Ich würde die Funktion nur in manchen Situationen aktivieren, finde sie aber gut umgesetzt.
Die App misst alle zurückgelegten Strecken und listet Zeit, Entfernung, Durchschnittsgeschwindigkeit, verbrannte Kalorien und auch die CO2-Ersparnis durch deine Fahrten auf. Velofahrer sind, auf die Ökobilanz bezogen, schliesslich die besseren Menschen und das soll der SmartHalo-Nutzer auch spüren. Du kannst die letzte Fahrt, die Tagesstatistiken und deine Gesamtstatistik einsehen. Ich habe in einer Woche 101 Kilometer zurückgelegt und dabei angeblich 25,2 Kilo CO2 eingespart. Toll. Für all diese Infos bräuchte es den SmartHalo nicht, schliesslich wird die Bewegung über mein Handy getrackt. Deshalb hat sich der Hersteller etwas einfallen lassen, um die Anzeige des Geräts zu nutzen: Du kannst ein Fitnessziel festlegen. Ich entscheide mich für eine Geschwindigkeit von 20 km/h, die ich fahren will. Gibt der SmartHalo während der Fahrt gerade keine Navigationsanweisungen, funktioniert der Displayrand als bunter Tacho und gibt so an, ob ich langsamer oder (mindestens) so schnell unterwegs bin. Eine Spielerei, die die Fahrten noch etwas bunter macht und das ganze Regenbogenfarbenpotenzial des Geräts ausschöpft.
Kurz: Dafür braucht es den SmartHalo nicht wirklich. Wer sich davon motiviert fühlt, seine Ziele immer vor Augen zu haben, darf sich freuen. Ich habe solche Ziele gar nicht, sondern will im Alltag von A nach B nach C und wieder zurück.
Wenn dein Handy klingelt, kann dein SmartHalo das auch. Über eingehende Anrufe und Nachrichten informiert er Android-Nutzer. Bist du mit iOS unterwegs, musst du dich mit Anruf-Infos begnügen. Ätsch! Andererseits: wer schreibt heute noch SMS? Eben. Ruft dich jemand an, während du auf dem Velo sitzt, leuchtet das Licht in der Mitte des SmartHalo blau auf. Dazu gibt es auch ein akustisches Signal, das du über die App in der Lautstärke regulieren und auch abschalten kannst. Annehmen kannst du ein Gespräch über den SmartHalo nicht. Für den einen oder anderen mag das Benachrichtigungs-Feature interessant sein, ich kann sehr gut darauf verzichten. Wenn ich auf dem Velo sitze, sitze ich auf dem Velo. Manchmal verpasse ich einen Anruf oder eine Nachricht, was mir vollkommen egal ist. In der Regel bin ich nicht länger als 20 Minuten am Stück unterwegs und durch die segensreiche Erfindung der Rufnummernübertragung kann ich zurückrufen, wenn ich nicht mehr an einer vierspurigen Hauptstrasse stehe.
Kurz: Eine verzichtbare Funktion. Wenn du der Typ bist, der in jeder Situation erreichbar sein will, hast du im Sattel wahrscheinlich sowieso dein Headset im Ohr.
Der SmartHalo ist ein hübsch designtes und hochwertig verarbeitetes Gadget, das sich vor allem dann lohnt, wenn du die Navigation, das Licht und die Alarmfunktion regelmässig nutzen willst und bereit bist, die App ständig im Hintergrund laufen zu lassen. Nur einmal klappte bei mir die Verbindung der Geräte nicht automatisch, ein Neustart der App half. Die Fitness- und Benachrichtigungsfunktionen sind für mich Spielerei. Wirklich smart ist der SmartHalo auch nicht, sein Hirn ist schliesslich dein Handy. Und trotzdem habe ich das Gerät liebgewonnen, weil es Spass bringt und ein paar praktische Funktionen in einem Gerät vereint, das mein Velo optisch sogar aufwertet. Für eine Navi-Lösung mit Licht- und Alarmfunktion passt auch der Preis. Der kleine Zyklop ist ein Eyecatcher, kann aber auch was.
Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.