Produkttest

Sonys 16-50mm-Objektiv: Wie schlecht ist es wirklich?

David Lee
19.11.2018

Das Standardzoom-Objektiv von Sony kommt bei manchen Usern ganz schlecht weg. Aber nicht bei allen. Ich teste also mal drauflos und versuche eine Einordnung.

Den User-Rezensionen nach zu urteilen, ist das Objektiv Sony E PZ 16-50mm OSS etwas ganz Besonderes. User adrianmari schreibt: «Habe vor dem Kauf im Netz gelesen, dass es nicht gut sein soll. Ich bin aber trotzdem überrascht wie schlecht es ist.»

Dass jemand ein Produkt kauft, obwohl er nur Schlechtes davon gehört hat, und dann trotzdem noch enttäuscht wird, das ist schon bemerkenswert. So bemerkenswert, dass die Rezension Teil unserer neuen Community-Kampagne ist.

Auch andere User lassen kein gutes Haar an diesem Produkt: «Hände weg - billiger Plastikschrott», «schlechte Bildqualität», «unbrauchbar». Aber es gibt auch positive Rezensionen: «Preis-Leistung unschlagbar», «Kleines, leichtes Reiseobjektiv mit guter Bildqualität und OSS».

Genau gleich wie adrianmari interessiert mich zwar die Meinung von anderen Leuten, aber am Ende will ich mir trotzdem meine eigene Meinung bilden. Ich schaue mir also dieses Objektiv mal genauer an. Ist es wirklich so hundsmiserabel?

Die Verlockungen: klein, leicht und günstig

Das angeblich himmeltraurige Objektiv liegt nun also in seiner ganzen Erbärmlichkeit vor mir. Doch bevor auch nur ein Wort darüber gelästert wird, muss ich zuerst einmal die Verhältnisse zurechtrücken. Denn wir haben es hier mit einem extrem kleinen, leichten und ziemlich günstigen Objektiv zu tun.

Zum Vergleich: Das hier getestete 16–50-mm-Objektiv ist im eingefahrenen Zustand nur 3 cm lang und 116 Gramm schwer. Das andere Kit-Objektiv von Sony (16–70mm) misst 6,6 cm und wiegt 308 Gramm. Auch preislich liegt das 16–50 deutlich unter dem 16–70.

Sony E PZ 16-50mm f/3.5-5.6 OSS, E-Mount (Sony E, APS-C / DX)
Objektiv

Sony E PZ 16-50mm f/3.5-5.6 OSS, E-Mount

Sony E, APS-C / DX

Sony E 16-70mm f4 ZA OSS Zeiss Vario-Tessar T E-Mount (Sony E, APS-C / DX)
Objektiv
CHF964.–

Sony E 16-70mm f4 ZA OSS Zeiss Vario-Tessar T E-Mount

Sony E, APS-C / DX

Die Kamera-Bodys von Sony sind im Vergleich zu SLRs kompakt. Davon profitierst du aber nur, wenn du auch ein kompaktes Objektiv nutzt. Die Sony Alpha 6300, an der ich das Objektiv ausprobiert habe, passt zusammen mit der Linse in meine Jackentasche. Damit ist sie fast so easy zum Mitnehmen wie eine Kompaktkamera.

Sony Alpha a6300 Kit (16 - 50 mm, 24 Mpx, APS-C / DX)
Kamera

Sony Alpha a6300 Kit

16 - 50 mm, 24 Mpx, APS-C / DX

Vermutlich ist das der Grund, weshalb der User das Objektiv gekauft hat, obwohl er negative Kritiken gelesen hat. Stimmts, adrianmari?

Jedenfalls habe ich mit dieser Kamera-Objektiv-Kombination in der kurzen Testzeit viele Fotos einfach so «hurtigschwing» (O-Ton von Kollege Kevin Hofer, überzeugter Bieler) im Vorbeigehen gemacht, die ich mit einem grösseren Gerät bestimmt nicht gemacht hätte. Dies ist wichtig, wird aber in Tests kaum je erwähnt, weil es nicht messbar ist.

Erster Schwachpunkt: Vignettierung

Das Objektiv sei an den Rändern wesentlich dunkler als in der Mitte, bemängelt das Internet. Diese Schwäche ist bei vielen Objektiven sichtbar, der Fachausdruck dafür lautet Vignettierung. Bei Zoom-Objektiven tritt das Problem vor allem im Weitwinkel auf.

Beim E PZ 16-50mm ist die Vignettierung im Weitwinkel tatsächlich sehr ausgeprägt.

Auch das viel teurere 16-70 ist nicht frei von Vignettierung. Aber der Effekt ist deutlich schwächer.

Wer im RAW-Format fotografiert, kann diesen Mangel in Photoshop Lightroom vollautomatisch beheben. Denn Lightroom hat ein Objektiv-Profil, das der Software genau sagt, welche Pixel bei welcher Brennweite wie stark aufgehellt werden müssen. Beim JPEG-Format übernimmt das die Kamera, diese lässt aber ein bisschen Restabdunklung zurück.

Die automatische Objektivkorrektur in Lightroom beseitigt die Vignettierung vollständig.
Die automatische Objektivkorrektur in Lightroom beseitigt die Vignettierung vollständig.

Zweiter Schwachpunkt: Verzeichnung

Verzeichnungen sind Abbildungsfehler, bei denen die Bildmitte im Verhältnis zu den Rändern aufgeblasen oder eingedrückt erscheint. Gut zu sehen ist das, wenn gerade Linien am Rand durchlaufen. Denn diese erscheinen krumm. Bei der Verzeichnung verhält es sich ganz ähnlich wie bei der Vignettierung. Das Objektiv-Profil in Lightroom korrigiert auch diese Fehler fürs RAW-Format vollautomatisch, die Kamera selbst legt bei den JPEGs Hand an. Und sogar im Live-Sucherbild werden die Abbildungsfehler bereits herausgerechnet. Mit anderen Worten: Die Verzeichnung existiert zwar, aber du kriegst im Alltag davon nichts mit. Dies umso mehr, als sich die Verzeichnungskorrektur bei diesem Objekitv nicht im Kameramenü deaktivieren lässt.

Korrigiertes Bild, wie es bereits im Sucher angezeigt wird.
Korrigiertes Bild, wie es bereits im Sucher angezeigt wird.
Die unkorrigierte Verzeichnung des Objektivs ist bei 16mm sehr deutlich.
Die unkorrigierte Verzeichnung des Objektivs ist bei 16mm sehr deutlich.
Zum Vergleich die unkorrigierte Verzeichnung des 16-70mm-Objektivs.
Zum Vergleich die unkorrigierte Verzeichnung des 16-70mm-Objektivs.

Der Vergleich zeigt: Ja, wenn die Verzeichnung sichtbar ist, dann ist sie krass. Aber eben: im Alltag eines durchschnittlichen Hobby-Fotografen spielt das schlicht keine Rolle.

Dritter Schwachpunkt: Schärfe

Zur Beurteilung der Schärfe habe ich einen Test-Chart auf A3 ausgedruckt und mit Hilfe der Gitternetzlinien so fotografiert, dass er einen Neuntel der Bildfläche einnimmt: Einmal in der Bildmitte und einmal am Bildrand. Denn in der Bildmitte sind fast alle Objektive scharf, erst am Rand trennt sich die Spreu vom Weizen.

Hier eine Vergrösserung von der Auflösung am Bildrand. Die Linien sind im Bereich von «5» an den meisten Orten immer noch sauber auseinanderzuhalten. Irgendwo zwischen 5 und 6 laufen sie zusammen.

Zum Vergleich die gleiche Aufnahme mit dem Objektiv 16-70mm: Insgesamt ist das jetzt auch nicht wirklich besser.

Beide Bilder wurden mit 100 ISO, f/4 und 1/80 Sekunde und 16 mm Brennweite aufgenommen. Zum Vergleich hier noch dasselbe für die Auflösung in der Bildmitte.

Objektiv 16-50 mm
Objektiv 16-50 mm
Objektiv 16-70 mm
Objektiv 16-70 mm

Beide Objektive sind deutlich schärfer als am Rand. Die Unterschiede zwischen den Objektiven sind aber auch hier kaum sichtbar. Das 16-70mm hat die Nase ganz leicht vorn.

Fazit: trotz Schwächen praxistauglich

Ich habe schon oft Dinge getestet, an denen fast alles gut war, doch eine entscheidende Schwäche machte das Produkt dann unbrauchbar. Hier ist es genau umgekehrt. Dieses Objektiv hat erhebliche Schwächen, aber dennoch halte ich es für praxistauglich.

Konkret: Die Verzeichnung ist übel, aber im Alltag ist das irrelevant, weil sie durchgängig korrigiert wird. Auch die Vignettierung ist krass, auch sie lässt sich problemlos herausrechnen. Und die Randschärfe im Weitwinkel ist lausig – aber das ist bei anderen Kit-Objektiven nicht besser. Und vor allem ist auch das im Alltag meist unwichtig, weil der Fokus höchst selten in der Bildecke liegt.

Mit diesem Objektiv kaufst du einen handlichen, preisgünstigen Allrounder, kein goldenes Einhorn. Und diesen Zweck erfüllt es.

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Durch Interesse an IT und Schreiben bin ich schon früh (2000) im Tech-Journalismus gelandet. Mich interessiert, wie man Technik benutzen kann, ohne selbst benutzt zu werden. Meine Freizeit ver(sch)wende ich am liebsten fürs Musikmachen, wo ich mässiges Talent mit übermässiger Begeisterung kompensiere. 


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