

Vier träumen vom Bier: Bei dieser Kleinst-Brauerei in Oerlikon ist alles Handarbeit
«Woher hast du jetzt von unserem Crowdfunding erfahren?» fragt mich Dani Frei am Telefon. Ich höre die Begeisterung über meine Anfrage in seiner Stimme. «Komm doch morgen vorbei. Ich muss zwei Hände frei haben fürs Bierbrauen. Ein Telefoninterview geht leider nicht, sorry.»
Der Zürcher Stadtteil Oerlikon gilt als grau und gesichtslos. Büro- und Industriegebäude wechseln sich mit neu heraufgezogenen Wohnsiedlungen ab, vor allem beliebt bei Expats – Ausländern, die für einen befristeten Arbeitseinsatz nach Zürich kommen. In dieser tristen Nachbarschaft entsteht im Keller eines Bürohauses ein Bier, bei dem (noch) jeder Schritt in Handarbeit gemacht wird. Es ist warm und riecht nach süsslichem Malz, als ich die Kellerräume betrete. «Gut, kommst du etwas später» sagt Dani und reibt sich den Schweiss von der Stirn. «Ich habe heute schon um halb Sieben angefangen zu brauen, jetzt habe ich weniger Stress und kann mir Zeit nehmen für dich. Heute habe ich wieder einmal in der Brauerei geschlafen…» sagt Dani und zeigt auf ein Feldbett im hinteren Teil des Kellers.
Weniger Stress bedeutet, er muss mit einem kleinen Kessel die Maische (die erwärmte Mischung aus Wasser und Getreidemalz) auf drei Gefässe verteilen. Dutzende Male taucht Dani den Kessel in die heisse Maische und leert ihn in die Gefässe. Läutern heisst der Vorgang, bei dem das «rohe» Bier, noch ganz ohne Alkohol, entsteht. Der Zucker löst sich so aus dem Getreide. Bei der der späteren Gärung verwandelt sich dieser Zucker dann in Alkohol. Die Gerätschaften haben dabei gar nichts mit den schönen Kupfertöpfen gemeinsam, wie man sie aus Grossbrauereien kennt. Viel eher wirkt alles gebastelt. «Das wirkt nicht nur so, das ist ein Gebastel… das hier sind zum Beispiel umgebaute Kühltruhen, die einen Abfluss haben». Aus dem Abfluss tröpfelt das rohe Bier raus und wird von einem Kessel aufgefangen. Auch diese Kessel müssen dutzende Male geleert werden.

Von der Küche in den Braukeller
Angefangen hat alles in der heimischen Küche vor drei Jahren, 105 Jahre nachdem die historische «Brauerei Oerlikon» ihre Tore geschlossen hat. «Eigentlich hat uns jeder vom Namen abgeraten. Wir haben es trotzdem gemacht» sagt Dani Frei und leert gerade die letzten Tropfen Maische in einen der selbst gebastelten Behälter. Oerlikon hat nicht den besten Ruf bei den hippen Stadtzürchern. Nur wenn im Sommer die Velorennen auf der offenen Rennbahn stattfinden, verirren sie sich ins Vorstadtquartier. Die Kritiker wurden aber Lügen gestraft: Vor allem in den Bars der Szene-Kreise 3, 4 und 5 verkaufen sich «Oerlik-Öhlsch», «Oerlik-IPA» oder das Sommerbier «Oerlik-Ginciseaux» wie warme Weggli. So gut, dass die Brauerei jetzt ausbauen will.

Bis jetzt haben die vier Jungs viel Herzblut und Erspartes investiert. Das Brauen ist für sie finanziell eine Nullrechnung. Alle arbeiten nebenbei. Als Schauspieler hat Daniel Frei kein regelmässiges Einkommen und aktuell am meisten Zeit. Vier Tage in der Woche gehen fürs Bierbrauen drauf. Für den Ausbau reicht das Ersparte nicht, weshalb die «Brauerei Oerlikon» jetzt auf der Crowdfunding Plattform 100-days.net mit einem Videoaufruf und verschiedenen Goodies nach Geldgebern sucht. Dani strahlt: «Es ist unglaublich, aber das Ziel von 40 000 Franken ist schon fast erreicht!». Mit dem Geld soll die Anlage vergrössert und der Arbeitsprozess vereinfacht werden. 700 statt 400 Liter können dann täglich produziert werden. «Die Brauanlage wird in Italien massgefertigt und sollte im Frühling fertig sein. Ich hoffe, das reicht: Fürs nächste Jahr haben wir schon ein paar Grossaufträge, ohne die neue Brauanlage schaffen wir das niemals» so Frei.
Handarbeit hat ihren Preis, auch wenn das nicht alle verstehen
Inzwischen ist auch David Schulze eingetroffen, der zweite der vier «Brauerei Oerlikon»-Betreiber. Dani und David schmeissen das tägliche Braugeschäft, Tobi Etter packt oft abends dort an, wo Not am Mann ist und Alex Kleinberger ist fürs Marketing verantwortlich. Beim Abfüllen der Flaschen zum Beispiel ist jede helfende Hand Gold wert: Auswaschen, füllen, verkorken, Ablaufdatum stempeln und Etikette kleben, es wird alles von Hand gemacht. Eine «Riesenbüez», die auch die verhältnismässig hohen Preise des Spezialbiers erklären. «Wir mussten für unsere Preise auch schon Kritik einstecken» sagt Dani Frei ganz offen. «Wenn wir dann aber erklären, wie viele Arbeitsschritte in einer Flasche Bier stecken, ist die Kritik schnell verflogen».

Aufwand und Ertrag halten sich im Moment etwa die Waage. Neben der neuen Brauanlage ist auch die Anschaffung einer automatischen Korkmaschine geplant. Nur so lässt sich fast doppelt so viel produzieren. Netter Nebeneffekt: Die Qualität lässt sich mit der neuen Anlage auf noch konstanteres Niveau bringen. «Wir haben jetzt schon fast keine Qualitätsschwankungen mehr, aber es kann immer mal etwas passieren. Wir mussten schon einmal 400 Liter Bier wegschütten, weil es ungeniessbar war. Mir ist bis heute ein Rätsel, was falsch gelaufen ist» erinnert sich Bierbrauer Frei. Mittlerweile hat er auch Zeit für einen kurzen Rundgang, während David die grossen Kessel auswäscht.
Dividende wird in Bier ausgezahlt
«Hinter dieser Tür ist das Bierliebhaber-Paradies» sagt Dani und öffnet eine Metalltüre. Kalte Luft weht uns entgegen. Im Kühlraum stapeln sich die schwarzen Harassen mit dem markanten Logo der Brauerei. «Hier rechts sind alles Testserien, Zeugs das im Moment am Entwickeln ist. Ein Honigbier zum Beispiel. Oder eine Verfeinerung des Sommerbiers». An Ideen und Visionen mangelt es auf jeden Fall nicht. «Man könnte meinen, der Biermarkt in der Schweiz ist gesättigt. Wir haben weltweit am meisten Brauereien pro Kopf und jährlich kommen mehr dazu. Aber ich denke, es gibt für uns noch Luft nach oben. Nur gerade ein Prozent des gesamten Bierkonsums in der Schweiz sind Biere von Kleinstbrauereien» erklärt mir Dani.

«Nach dem riesigen Echo auf das Crowdfunding ist unsere Brauerei jetzt in aller Munde. Das motiviert uns zusätzlich. Du hast ja auch erst jetzt von uns erfahren», was ich eingestehen muss. Sieben Tramstationen von meiner Haustüre entfernt entsteht ein vorzügliches Craftbier und gewusst habe ich es bisher nicht. Das habe ich geändert und mich mit 200 Franken beim Crowdfunding beteiligt. Dafür kriege ich eine Einladung ans Bieraktionärsfrühjahrsfest. Zitat 100-day.net: «[..] du kannst einen Tag lang soviel Bier wie du willst trinken». Prost.
Hast du auch Lust, deinen Traum vom Bierbrauen zu verwirklichen? Wir bieten dir einen einfachen Einstieg mit diesem Bierbrauset.

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Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.