
Hinter den Kulissen
Mit Herz und Ruhe: Patricks Erfolgsformel im Retail
von Catherine Barth
Florian Gröber, Leiter eines sechsköpfigen Teams im Customer Service bei Digitec Galaxus, entschied sich für ein Downshifting, einen freiwilligen Abstieg auf der Karriereleiter. Vom Chef zurück zum Teammitglied. Funktioniert das? Wo bleibt die Challenge? Wo der Status? Fragen, die sich Florian so nie gestellt hat. Aber ich. Ihm.
Florian, du arbeitest seit elf Jahren hier. Viele Mitarbeitende wollen während ihrer Laufbahn die Karriereleiter hochklettern. Du hast vor gut einem Jahr den umgekehrten Weg gewählt und deine Führungsposition verlassen. Was war ausschlaggebend für dein Downshifting?
Ich gebe nicht so schnell auf und versuche in jeder Situation jeweils andere gangbare Wege zu finden, aber Corona hat es mir schwer gemacht. Im Kundendienst wurden wir mit Anfragen überschwemmt und mussten zusätzliche Mitarbeitende einstellen. Das Team war plötzlich doppelt so gross und die zusätzliche Verantwortung für rund fünfzig externe temporäre Mitarbeitende wurden mir zu viel. Das, was mir als Chef immer wichtig war, konnte ich nicht mehr ausüben: Der persönliche, direkte Austausch mit einzelnen Mitarbeitenden und die Betreuung und Motivation meines Teams blieben auf der Strecke. Ich hatte schlichtweg keine Zeit mehr dafür. Hinzu kam, dass ich plötzlich für zu viele verschiedene Bereiche verantwortlich war und das Kopfkino nachts in Endlosschlaufe lief. Schlussendlich war es ein persönlicher Entscheid, der praktisch übers Wochenende reifte. Ein potenzielles Burnout war nicht mehr fern und das wollte ich verhindern.
Ich habe den Wechsel vom Chef zum «normalen» Mitarbeiter gut geschafft.
Wie hat dein Chef auf diesen Entscheid reagiert?
Absolut positiv, deshalb arbeite ich auch noch hier. Er hat mich sehr ernst genommen und unterstützt und sofort alles in die Wege geleitet, damit ich entlastet wurde. So habe ich den Change vom Leader zum «normalen» Mitarbeiter gut geschafft und konnte im Team bleiben. Unsere Firma ist diesbezüglich schon sehr cool.
Die Leute aus deinem Team kannten dich als Chef. Wie war das, als du plötzlich wieder auf gleicher Stufe warst?
Wir hatten schon immer ein sehr gutes und kollegiales Verhältnis. Das war mir als Teamleader immer wichtig. Natürlich war das ein Prozess und das Team musste sich ein bisschen daran gewöhnen, dass ich nicht mehr Ansprechperson für alles war. Aber ich hatte vor allem am Anfang einen speziellen Status: Ich war eine Art Bindeglied zwischen Team und neuem Chef, weil ich über vieles Bescheid wusste. Und das schätzten alle sehr.
Status war für mich nie ein Thema.
Ein Downshifting kann Statusverlust bedeuten. Wie war das bei dir?
Hmm.. (überlegt). Also negative Kommentare gab es wirklich keine. Sowohl meine Familie wie auch mein näheres Umfeld fanden meine Entscheidung mutig und haben mich unterstützt. Ihnen wäre auch egal, wenn ich Tellerwäscher wäre. Status war also für sie nie ein Thema. Für mich übrigens auch nicht.
Arbeitest du jetzt weniger als zuvor?
(lacht) Nicht unbedingt. Auch vorher habe ich nicht unnötig Überzeit angehäuft. Die Arbeit war einfach extrem viel intensiver und ich konnte zu Hause nicht abschalten. Oft sass ich abends vor dem TV und studierte an neuen Ideen herum oder wie ich etwas hätte besser machen können.
Finanziell musstest du zurückstecken. War das schwierig?
Darüber habe ich mir keine grossen Gedanken gemacht. Ausschlaggebend war alleine meine Gesundheit.
Vorher hattest du als Teamleader eine grosse Verantwortung. Jetzt bist du ein «normaler» Mitarbeiter. Hast du trotzdem eine Challenge?
Ja, absolut. Neue Projekte kann ich auch in meiner jetzigen Position anreissen und das tue ich sehr gerne. Ich habe eine Spezialfunktion im Post-Team vom After Sales Service. Zurzeit befasse ich mich mit dem Thema Paketschäden. Ich mache Analysen und Auswertungen, um herauszufinden, wie wir gewährleisten können, dass weniger Pakete beschädigt bei den Kundinnen und Kunden ankommen.
Am liebsten würde ich jedoch den Bereich Coaching weiter ausbauen, den ich seit Längerem verfolge und innerhalb meines Teams auch schon ausführe.
Coaching, damit niemand zu viel Druck und Kopfkino in Endlosschlaufe hat?
(lacht) Das auch, aber auch fachliches Coaching oder Einarbeitungsschulungen von neuen Mitarbeitenden finde ich spannend.
Deine Verantwortung war innerhalb eines Jahres extrem stark gestiegen. Der Stress, der damit verbunden war, auch. Was muss sich im Firmenalltag ändern, damit es nicht zu einem Beinahe-Burnout kommt?
Ich glaube, allgemein lastet viel Druck auf jeder einzelnen Person. Das ist firmenunabhängig. Wir wollen manchmal einfach zu viel, um dem gesellschaftlichen Bild vom «Alles-unter-einen-Hut-bringen-ist-voll-easy» zu entsprechen. Man sollte sich deshalb immer wieder vor Augen führen, was man wirklich als wichtig empfindet und wo man Abstriche machen kann.
Zum Glück ist unsere Unternehmenskultur sehr menschlich und die Vorgesetzten haben immer ein offenes Ohr. Klar, früher hat man die Startup-Mentalität in dieser Beziehung noch stärker gespürt. Da arbeitete ab und zu auch jemand aus dem oberen Management einen Tag lang in einem unserer Teams und hat den Puls gefühlt. Sowas würde sicher helfen, um herauszufinden, wie es den Mitarbeitenden geht, wo die Probleme liegen oder die Belastungen am grössten sind.
Was ist jetzt besser als in deiner früheren Position?
Ganz klar mein persönliches Wohlbefinden. Ich habe wieder Energie, bin motiviert für neue Projekte, und ich habe meinen Tatendrang wiedergefunden, der mich bisher immer ausgezeichnet hat. Der Druck ist weg, ich kann wieder schlafen, meine Lockerheit ist zurück und das geniesse ich enorm. Meine Work-Life-Balance ist auf dem Niveau, auf dem ich sie mir wünsche.
Kannst du dir vorstellen, eines Tages wieder eine Führungsfunktion zu übernehmen oder ist dieses Thema durch?
Zurzeit ist es eher kein Thema. Aber kategorisch ausschliessen würde ich das nicht. Ein Team motivieren und für Neues begeistern, gefällt mir immer noch und gehört zu meinen Stärken.
Ich suche die besten Hintergrundstories aus dem Digitec Galaxus-Universum, denn Menschen und Geschichten faszinieren mich. In meinem zweiten Leben stehe ich als Moderatorin und Schauspielerin auf der Bühne - diese kann durchaus auch einmal ein Friedhof sein – als Sprecherin für Werbefilme synchronisierte ich schon einen Kürbis oder eine Kuh.