
Hintergrund
Fast eine halbe Million Spieler: Was zur Hölle ist das Indie-Game «Schedule I»?
von Debora Pape
Die SBB-Melodie ist wahrhaft ikonisch: «dun-dun-dun». Warum es drei Versionen davon gibt und was ein geheimes SBB-Game damit zu tun hat.
Es ist 11:23 Uhr. Ich sitze im Schüttelzug IC1 von Bern nach Zürich. An der Anzeigetafel leuchtet das Lautsprechersymbol auf und die Durchsage beginnt mit dem vertrauten Dreiklang: «dun-dun-dun Nächster Halt: Zürich Hauptbahnhof».
Der kurze Hinweiston der Schweizerischen Bundesbahnen dürfte sich jedem von uns regelrecht ins Gehirn gebrannt haben. «dun-dun-dun». Aber je nachdem, wo in der Schweiz du lebst, klingt dieser Jingle in deinem Kopf ganz anders als in meinem. Es gibt nämlich drei verschiedene Varianten von diesem Soundlogo. Und du findest sie alle in einem Game, das du ziemlich sicher schon lange auf deinem Handy hast. Versprochen!
Das nationale Zugsystem ist in drei unserer vier Sprachregionen aufgeteilt: SBB, CFF und FFS. Das steht für Schweizerische Bundesbahnen auf Deutsch, Chemins de fer fédéraux suisses auf Französisch und Ferrovie federali svizzere auf Italienisch.
Auch wenn er nicht offizieller Teil des Markenauftritts ist, gibt es tatsächlich auch einen weniger bekannten rätoromanischen Titel: Viafiers federalas svizras, oder kurz VFF. Zu guter Letzt lautet die offizielle englische Bezeichnung Swiss federal railways, oder SFR.
Und genauso wie der Titel auf die Landessprachen angepasst wurde, wurde auch der Jingle individuell gestaltet. Während die deutschsprachige Bevölkerung sich an tief-hoch-mittel gewöhnt hat, kennt die Romandie die Melodie als hoch-mittel-tief. Und für den italienischen Teil der Schweiz geht die Melodie mittel-mittel-tief.
Ehrlich:
Je nachdem, an welchem Schweizer Bahnhof du gerade stehst, hörst du also einen anderen Signalton vor den Durchsagen. Und auch im Zug wird jeweils der zur Sprachregion passende Jingle gespielt.
So kommt es, dass du je nach Zugstrecke auch mehr als nur einen SBB-Jingle zu hören bekommst. Im IC1 von Genève-Aéroport nach St. Gallen – die längste Direktverbindung der Schweiz – hörst du zum Beispiel bis Fribourg den französischen Jingle, danach den deutschen. Der IC2 von Zürich HB nach Lugano wechselt hingegen in Bellinzona vom deutschen auf den italienischen Jingle.
Wer alle drei Varianten während einer Zugfahrt hören will, hat tatsächlich nur eine einzige Wahl.
Dieses besondere Erlebnis gibt es nämlich nur bei einer Fahrt durchs wunderschöne Wallis. Genauer gesagt im Eurocity, der dreimal täglich in einer vierstündigen Direktfahrt zwischen Genève und Milano Centrale in Italien verkehrt. Von Genève bis Sion hörst du den französischen Jingle, danach bis Brig den deutschen und ab Domodossola den italienischen.
Die Titelmelodie der SBB ist nicht nur eine wahre Ikone, sondern auch ein gewieftes Stück Musiktheorie. Wer ein gutes Ohr hat, dürfte schon ahnen, worauf ich hinaus will.
Laut diesem Beitrag im SBB-Community-Portal sind die Noten für die verschiedenen Jingles nicht willkürlich gewählt. Userin «MartinaM» erklärt, es handle sich tatsächlich um die jeweils passenden Buchstaben in der Tonleiter. Also «Es - B - B» (ein «S» gibt es ja schliesslich nicht), «C - F - F» und «F - F - Es». Diese Theorie taucht immer mal wieder im Internet auf, etwa in Reddit-Threads.
Eine offizielle Erklärung dieser These seitens SBB oder ein Notenblatt der Melodien konnte ich bei meiner Recherche leider nicht finden. Der Ansatz leuchtet zwar ein, so wirklich glauben will ich das Ganze aber nicht. Hören wir uns nochmals die Jingles an:
Beim genauen Hinhören lassen sich definitiv mehr als zwei unterschiedliche Noten pro Jingle erkennen. Die vorgeschlagenen Melodien stimmen damit nicht überein.
Ich habe also mein E-Piano herausgeholt und meine eingestaubten Grundschul-Musikkenntnisse getestet. Beim Versuch, die drei Jingles nachzuspielen, komme ich zu folgendem Schluss: Jeweils beim letzten Ton wird eine Kombination aus Noten gespielt. Im Fall von «Es - B - (B/Ges/Es)» handelt es sich um einen Akkord, da hier drei Töne gleichzeitig erklingen. Bei «C - F - (F/Des)» und «F - F - (Es/F)» hingegen sind es nur zwei Noten, was als Intervall bezeichnet wird. Die Theorie stimmt also – so halb.
Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum es für die rätoromanische VFF keinen eigenen Jingle gibt. Aber ich bin definitiv kein Musikexperte, also fühl dich frei, meine Vermutung zu prüfen und mir deine Erkenntnisse in den Kommentaren mitzuteilen.
Keine Angst, ich habe mein Versprechen aus der Einleitung nicht vergessen! Also, das SBB-Minigame auf deinem Handy. Vielleicht kennst du schon das Dino-Spiel im Chrome-Browser. Wenn dein Internet aussetzt, versüsst dir Google die Wartezeit mit einem Minigame, das auch offline funktioniert.
Etwas ganz ähnliches findest du auch in der offiziellen SBB-App. Ausgebrütet wurde das Ganze vor einigen Jahren bei einer Überarbeitung der App vom Zürcher Softwareentwickler Ubique – damals sogar im Unwissen der SBB! Das Easter Egg nennt sich «#catchthetrain» und erinnert vom Spielprinzip stark an den Chrome-Dino.
Zum Spiel gelangst du, indem du eine Verbindung von einem Ort zum gleichen suchst. Dann musst du dreimal auf die Fehlermeldung tippen und schon kannst du deinen eigenen Highscore aufstellen.
Und als wäre das nicht genug Augenzwinkern, wurde sogar ein passender Game-Soundtrack aus den verschiedenen SBB-Jingles komponiert – mit Ohrwurmgarantie.
Praktisch seit ich denken kann fasziniert mich alles, was Tasten, Displays und Lautsprecher hat. Als Journalist mit Fokus auf Technik und Gesellschaft schaffe ich Ordnung im Dschungel aus Tech-Jargon und unübersichtlichen Spec-Sheets.