

Alles kalter Kaffee? Trend-Getränk Cold Brew
Spätestens seitdem der grosse Kaffeekonzern mit dem grünen Logo ihn auch anbietet, ist Cold Brew Coffee in der Schweiz angekommen. Weil er mit kaltem Wasser extrahiert wird, soll Cold Brew weniger bitter und sauer sein. Ich habe zwei Arten getestet.
Im Prinzip ist Cold Brew sehr einfach zu brauen: Kaffee mit Wasser übergiessen, mehrere Stunden stehen lassen, Pulver rausfiltern, das war’s. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Natürlich gibt es diverse Methoden, das kalte Gebräu herzustellen. Grundlegend unterscheiden sich vor allem die «Immersion»-Methode und der «Coffee Dripper». «Immersion» bedeutet, das Kaffeepulver extrahiert stundenlang im Wasser. Beim Dripper hingegen tröpfelt Wasser auf das Pulver und extrahiert den Kaffee Tropfen um Tropfen. Soweit die Theorie. Die Praxis ist dann doch komplizierter. Wieviel Kaffeepulver brauche ich? Welchen Mahlgrad muss mein Kaffeepulver haben? Wie lange soll ich den Kaffee extrahieren?

Lernen von der Meisterin
Ich brauche Hilfe und hole sie mir bei einem Star der Schweizer Kaffeeszene: Emi Fukahori hat 2015 die Königsdisziplin «Barista» bei den Schweizer Kaffeemeisterschaften gewonnen und führt seit Ende 2016 das Kaffee Mame in Zürich zusammen mit ihrem Partner Mathieu Theis (der übrigens jüngst den dritten Platz bei den World Barista Championships belegte). Wie Cold Brew schmecken muss, erfahre ich im Mame gleich selbst. Emi offeriert mir einen kalten Kaffee mit floralen Noten, perfekt ausgewogen, nicht zu bitter, nicht zu sauer. «Cold Brew ist verhältnismässig einfach zu machen» sagt die gebürtige Japanerin. «Du brauchst für 100 Gramm Wasser jeweils 10 Gramm Kaffee». In der Kaffeewelt wird Wasser auch in Gramm und nicht in Millilitern gemessen.
«Deine Mühle stellst du auf die gröbste Stufe, da würde ich nicht gross experimentieren. Den Kaffee lässt du acht Stunden ziehen und probierst ihn dann. Wenn er zu flach und zu wässerig ist, lässt du ihn noch etwas länger extrahieren». Essenziell sind natürlich die Bohnen. Zu dunkel geröstete Bohnen, wie sie für Espresso gebraucht werden, sind zu bitter. Besser sind mittlere oder helle Röstungen. «Du musst etwas experimentieren. Jeder mag seinen Kaffee anders, ein Patentrezept kann ich dir nicht mitgeben». Auch für den Dripper empfiehlt die Expertin den gröbsten Mahlgrad und 10 Gramm auf 100 Gramm Wasser. Weil jeder Dripper andere Eigenschaften hat, soll ich mich ans beigelegte Rezept halten. Es dauert halt so lange wie es dauert, bis das Wasser vollständig durch den Kaffee getröpfelt ist. Mit den Tipps der Meisterin und einem sündhaft teuren Pack Kaffee im Gepäck mache ich mich also auf zur Mission «Cold Brew».

Mein erstes Meth Kaffee-Labor
Ich baue mein Versuchslabor im Büro auf und fühle mich wie Walter White bei «Breaking Bad». Der Coffee Dripper könnte nämlich genau so gut im abgefuckten Wohnwagen zur Drogenproduktion genutzt werden. Viel harmloser dagegen ist der Cold Brew Bereiter. Der funktioniert wie eine grosse Teekanne, ins Sieb kommt der Kaffee und der schwimmt dann während 8 Stunden im Wasser. Den Kaffee habe ich zuhause gemahlen, auf der gröbsten Stufe. 100 Gramm für die Standardmethode, 60 Gramm für den Dripper. Stilecht habe ich ihn im Plastikgrip bei mir. Wenn schon Methlab, dann richtig.

Cold Brew Bereiter
Bei dieser Methode kann eigentlich nichts schieflaufen. Ich gebe den Kaffee in den Filter und giesse langsam einen Liter Wasser über das Pulver. Alles was ich beachten muss, ist, dass ich nicht zu schnell Wasser hineingiesse, sonst überläuft das Teil.


Coffee Dripper
Auch hier gebe ich zunächst Kaffee in den Filter und dann kommt der Tank oben drauf. Hier muss ich zuerst beachten, dass das Ventil geschlossen ist, sonst läuft das Wasser zu früh unten raus. Das Ventil muss ich langsam öffnen und so einstellen, dass circa ein Tropfen Wasser pro Sekunde auf den gemahlenen Kaffee fällt. Der Dripper braucht viel Liebe, immer wieder muss ich das Ventil verstellen, weil ständig weniger Wasser den Weg auf den Kaffee findet. Wenn sich das bloss auszahlt…

Eiskalte Abrechnung
Während der Kaffee im Dripper «schon» nach vier Stunden trinkfertig war, habe ich mich beim Cold Brew Bereiter an die von Emi empfohlenen acht Stunden gehalten. Farblich ist die kürzere Dripper-Variante dunkler. Erstaunlich ist auch, wie verschieden die beiden Varianten schmecken. Während der klassiche Cold Brew sehr ausgewogen zwischen bitter und sauer liegt, dominieren beim Dripper die bitteren Noten, ohne dass es zu viel wäre. Einen klaren Favoriten kann ich nicht ausmachen – beide Varianten haben ihren Reiz. Oder wie das Motto von Emis «Mame» lautet: «The best coffee is the coffee you like».

Als ich vor über 15 Jahren das Hotel Mama verlassen habe, musste ich plötzlich selber für mich kochen. Aus der Not wurde eine Tugend und seither kann ich nicht mehr leben, ohne den Kochlöffel zu schwingen. Ich bin ein regelrechter Food-Junkie, der von Junk-Food bis Sterneküche alles einsaugt. Wortwörtlich: Ich esse nämlich viel zu schnell.