

Auf die Mischung kommt es an: Die «Alpine Hemp»-Linie von Salewa

Hanf hat als Textilfaser eine lange Geschichte und war trotzdem fast verschwunden. Salewa setzt bei Kletterbekleidung wieder auf den Stoff – weil er genügsam, atmungsaktiv und so strapazierfähig wie der Begriff «Alpine Hemp» ist.
Mit Hanf hatte ich bislang wenig Berührungspunkte. Nun trage ich es auf der Haut. Wenn du wie ich bei diesem Begriff nicht direkt an Hemden, Hosen und Shirts denkst, ist das der Vielseitigkeit der Pflanze und dem Siegeszug der Baumwolle zu verdanken. Diese hat Hanf als Textilrohstoff lange verdrängt. Doch nach und nach taucht er wieder auf.
Salewa setzt ihn in Kleidung ein, die vorrangig fürs Klettern gemacht ist und deshalb verschiedene Eigenschaften vereinen muss. Strapazierfähig soll der Stoff sein. Klar. Dazu atmungsaktiv und dehnbar, um maximal beweglich zu bleiben. Kurz: bequemes Zeug, das etwas aushält. Das geht nicht mit hundert Prozent Hanf, aber die Faser wird aus guten Gründen ins Gewebe gemischt.

Hanf allein macht nicht glücklich
Wo «Alpine Hemp» draufsteht, sind unterschiedliche Materialien drin. Wenn ich auf das Label meines T-Shirts gucke, dominiert Baumwolle. Der Hanfanteil beträgt 30 Prozent. Dazu kommen Stretch-Einsätze aus Polyamid und Elastan an den Schultern. Ähnlich sieht es beim Longsleeve aus, da stecken gerade mal 22 Prozent Hanf drin. Es ist ein Mix, der verschiedene Eigenschaften sinnvoll kombinieren soll. Nach dem Motto: «Hanf allein macht nicht glücklich» bedienen sich die Sachen hier und dort, um an den entscheidenden Stellen elastisch zu sein. Sie schränken nicht ein und laden sich nicht elektrostatisch auf. Das Tragegefühl ist, verglichen mit rein synthetischen Stoffen, angenehm.


Auch mit Feuchtigkeit kommt der Faser-Mix gut klar und muss den Vergleich mit kunststoffbasierter Funktionskleidung nicht scheuen. Da Hanf extrem strapazierfähig ist, steckt viel davon in der Hose: Die besteht zu 53 Prozent daraus, ist robust und trotzdem bequem. Die grossen Stretch-Taschen sind so platziert, dass sie beim Klettern und anderen Verrenkungen nicht stören. Mein einziges Problem: Der Stoff ist so dünn, dass der Oberschenkel den Touchscreen meines Smartphones bedient und sich an einem Notruf versucht, wenn ich es mit dem Display nach innen in die Tasche stecke.


Hanf in den Alpen?
Salewa fallen noch ein paar Gründe ein, warum Kleidung aus Hanf eine gute Idee ist: «Der Hanfanbau kommt ohne Pestizide, synthetische Düngemittel und GVO-Saatgut aus, benötigt im Gegensatz zu Baumwolle wenig bis gar kein Wasser und wirkt der Bodenerosion entgegen.» Die Pflanze ist genügsam und widerstandsfähig. Wenn du beim Namen «Alpine Hemp» an Felder in entlegenen Alpentälern denkst, deren ökologische Ernte zu bezahlbaren Preisen in die Kollektion wandert, wirst du allerdings auf eine falsche Fährte gelockt. Die Wirklichkeit ist, wie meistens, komplizierter.

Du erinnerst dich: Die Produktion von Hanffasern ist aus Europa weitestgehend verschwunden. Sie ist, mitsamt dem Fachwissen, vor allem nach China gewandert. Dort kauft auch Salewa heute den Textilhanf, in Heilongjiang, einer Gebirgsregion im Nordosten. Der Name «Alpine Hemp» ist eher Vision als Realität und wird so erklärt: «Wir investieren 10 Prozent des Umsatzes aus Verkäufen von Kleidungsstücken der Alpine Hemp-Linie in den Aufbau der Hanfproduktion im alpinen Raum, um dadurch lokal eine zusätzliche und langfristige wirtschaftliche Entwicklungsperspektive zu schaffen.»
Schlussendlich sind die Sachen eine moderne Mischung, wie sie unserer globalisierten Welt entspricht. Entwickelt in den Dolomiten, produziert in China (Shirt/Longsleeve) und Indien (Hose). Multikulturelles Mischgewebe, an das ein Versprechen geknüpft ist. Da die Faser so schön strapazierfähig ist, wird auch der Begriff «Alpine Hemp» etwas gedehnt. Wäre schön, wenn aus der Vision Wirklichkeit wird. Denn eines sind die Sachen definitiv: bequem und funktional. Hanf kann was. Nicht nur beim Klettern.
Zu allen «Alpine Hemp»-Produkten


Einfacher Schreiber, zweifacher Papi. Ist gerne in Bewegung, hangelt sich durch den Familienalltag, jongliert mit mehreren Bällen und lässt ab und zu etwas fallen. Einen Ball. Oder eine Bemerkung. Oder beides.