
Inspiring Family Homes
Englisch, Andrea Servert, Gestalten, Robert Klanten, MilK Magazine, 2021
Amsterdam, New York oder Tokio – ein neues Buch führt durch Häuser moderner Familien aus der ganzen Welt. «Inspiring Family Homes» erkundet in 250 Seiten unterschiedliche Wohnräume, in denen Design im Alltag kindgerecht kombiniert wird. Zumindest laut Beschrieb.
Inneneinrichtungsbücher gibt es bekanntlich viele – doch vergleichsweise wenige, die sich explizit mit der Gestaltung von kinderfreundlichen Räumen beschäftigen. Das Buch «Inspiring Family Homes» soll diese Lücke füllen. «Mit scharfem Auge haben wir Momentaufnahmen des täglichen Lebens eingefangen und einen einzigartigen visuellen Dialog mit Familien aufgebaut, die ein stilvolles Leben führen, sowohl in Frankreich als auch im Ausland», schreibt Isis-Colombe Combréas im Editorial dazu. Sie ist die Redaktionsleiterin sowie Gründerin des französischen Magazins MilK, das das Buch in Zusammenarbeit mit dem Verlag Gestalten herausgegeben hat.
Das Magazin MilK widmet sich modernen Familien. Vom Kinderzimmer über Bekleidung bis hin zum Spielzeug – vierteljährlich zeigt es aktuelle Mode- und Möbeltrends für Kinder. Jetzt werden in dem Buch die schönsten Homestorys der letzten 18 Jahren zusammengefasst.
Inspiring Family Homes
Englisch, Andrea Servert, Gestalten, Robert Klanten, MilK Magazine, 2021
Noch lebe ich alleine. Trotzdem erhoffe ich mir von diesem Buch Einrichtungstipps, die ich anderen weitergeben kann. Freunde mit Kindern sagen mir oft, dass ich mich nur «so schön» einrichten kann, weil ich gerade alleine lebe. Ich will herausfinden, ob das stimmt oder ob sie einfach nur nicht die Tricks der Profis kennen.
Eigentlich soll die Bibel der stilvollen Einfamilienhäuser laut Beschrieb zeigen, wie du mit den «Herausforderungen umgehst, einen Raum mit Kindern zu teilen und schliesslich einen Ort zum Sammeln und Wachsen zu schaffen». Doch es fällt mir schwer, die Auseinandersetzung der gezeigten Familien nachzuvollziehen. Viele der Räumlichkeiten unterscheiden sich gar nicht von einem Single-Haushalt. Konkrete Tipps für Mütter und Väter, wie genau eine anpassungsfähige Einrichtung für den Nachwuchs aussieht, sind Mangelware. Es werden auf 250 Seiten nur circa 25 mit Kinderzimmern gezeigt und die kurzen Texte und Zitate geben wenig Aufschluss, was hinter dem einen oder anderen Möbel steckt. Sie erklären eher, was die Personen beruflich machen oder wieso sie nahe einem Strand oder Wald leben.
Wer handfeste Tipps sucht, muss wirklich genau hinschauen, vermuten und Gemeinsamkeiten finden. Der Grossteil der gezeigten Familien setzt im Wohnzimmer auf Sofalandschaften, Teppiche im Kinderzimmer oder besitzt einen Holztisch im Esszimmer. Eine der porträtierten Mütter sagt dazu: «Die Zeit, die wir in der Wohnküche verbracht haben, ist sichtbar: (...) Ich will keinen neuen Esstisch in fünf Jahren kaufen, ich will einen, der hunderte Familienessen und betrunkene Abende mit Freunden erlebt hat.» Sie scheint sich für Holz entschieden zu haben, weil Gebrauchsspuren für sie als Teil der Maserung etwas Schönes sind. Oder aber, sie hat das Material gewählt, weil es anders als eine Marmortischplatte mehr Wärme bringt und abfedert, wenn sich doch mal jemand aus Versehen daran stösst.
Eine weitere Gemeinsamkeit, die ich in den Familienhäusern beobachte, sind scheinbar deplatzierte Möbel. Ein viel zu niedriger Stuhl für die Küchenzeile zum Beispiel. Dabei soll der Stuhl hier nicht den Grossen als Barhocker, sondern den Kleinen als Trittleiter dienen: Er steht umgekehrt am Tresen, damit Kids am Geschehen auf der Arbeitsplatte teilhaben können. Im Buch fällt auf, dass selten 08/15-Möbel herumstehen oder Farben beliebig eingesetzt werden. Das Design dieses Stuhls wird beispielsweise von vielen kleinen Löchern verziert und es ist bunt wie die Uhr oder die Lampe im Hintergrund und ergänzt auf diese Weise das Farbkonzept. Jedoch scheint es nicht zur Sicherheit des ungefähr zweijährigen Kindes beizutragen.
Es wird viel in Designermöbel investiert. Nur nicht in kindergerechte: Ein sogenannter Lernturm wächst mit der Körpergrösse des Nachwuchses. Viele Familien schustern ihn laut Redaktorin für Familienthemen Katja Fischer auch aus zwei Möbeln eines schwedischen Möbelherstellers zusammen, um Geld zu sparen.
Auch wenn ich nicht viele Kinderzimmer finde, entdecke ich einige Sachen daraus in den Gemeinschaftsräumen. So hängt die Kreidetafel zum Kribbeln in der Küche. Sie reicht hier wie eine Tapete vom Boden bis zur Decke – wahrscheinlich dank einer speziellen Wandtafelfarbe. Oder die Spielsachen sind Teil der Einrichtung und ersetzen herkömmliche Deko im Wohnzimmer. Schön arrangiert wirken sie wie in diesem Beispiel weder kitschig noch deplatziert. Das aber nur, weil sie aus Holz und nicht kommerziell wie LEGO oder eine Barbie sind.
Und so ist das Buch zwar keine Ansammlung von konkreten Praxistipps für Familien mit Platz- oder Ordnungsproblemen, aber ein gelungenes Moodboard für designbewusste Leute, die in einer WG mit erwachsenen Kindern leben und gemütliche gemeinschaftliche Wohnräume schaffen möchten – ohne dabei die Liebe zum Design aufgeben zu müssen. Wie Design kindgerecht kombiniert wird, sehe ich nicht, nur wie Kinder «designgerecht» kombiniert werden. Ihre Spielsachen scheinen immer perfekt zum Rest zu passen und liegen nie beliebig herum. Das wirkt, wenn auch inspirierend, realitätsfremd. Denn alleine meine Nichte bringt innert Sekunden «Leben» in meiner Single-Bude. Das ist auch gut so. Lieber habe ich sie zu Besuch, als ein ordentliches Zuhause.
Meine Suche nach einem Buch, das mir in Sachen familienfreundliches Design weiterhilft, setze ich fort. Vorausgesetzt, du interessierst dich dafür. Deshalb möchte ich von dir wissen:
Soll ich weitere Wohnbücher vorstellen?
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.