
Hintergrund
«Mama, wann säen wir endlich die Tomaten?»
von Ann-Kathrin Schäfer
Freud und Leid, Leben und Tod – empirisch und abstrakt. In Folge 5 des CBD-Cannabis-Zucht-Experiments herrscht Gefühlschaos. Die vergangenen 13 Tage sind von Krankheit, Tod und der Entwicklung des weiblichen Geschlechts geprägt.
Wir schreiben Tag 35. Meine ehemals fünf Pflänzchen sind nur noch vier. Eins hat die Lust verloren, weiter im (Rampen-) Licht zu stehen. Und das, obschon ich es genau gleich, liebevoll behandelte wie ihre Geschwister.
Ruhe in Frieden, Nr. 4.
Natürlich hat alles immer auch sein Gutes. Einerseits werde ich die Erde wiederverwenden können. Und andererseits haben die übriggebliebenen Pflanzen jetzt mehr Platz. Selbst wenn sie den momentan nicht benötigen.
Das frühe Ableben der einen Pflanze stimmt mich nachdenklich. Ich frage mich, ob ich etwas falsch gemacht habe. Würde Nr. 5, welche nun bereits 55 Zentimeter gross ist, nicht so wunderschön aussehen, hätte ich echt Gewissensbisse. Doch so denke ich mir, dass kein Mangel oder Überfluss an Nährstoffen, Mineralien oder Wasser Schuld trägt. Nr. 4 wollte einfach nicht mehr und hat sich nun davongeschlichen. Vermutlich waren wir nicht auf gleicher Wellenlänge.
Kann ich verstehen. Ist schon arg einseitig, in einem Zelt zu leben. Licht und Liebe hin oder her.
Mensch, wie die Zeit rennt – oder auch das Gegenteil tut.
Die Zeit, sie ist relativ. Ich bin mir sehr sicher, dass es nur eine sekundäre Rolle spielt, wie lange mein Körper existiert. Wichtig ist, was ich tue oder empfinde und dass ich möglichst viele schöne Momente erlebe, ohne dabei anderen zu schaden.
Sitze ich vor dem geöffneten Zelt, sind Sekunden manchmal gefühlte Ewigkeiten. Dennoch habe ich zugleich das Gefühl, zu sehen, wie sich die einzelnen Triebe der Pflanzen langsam Richtung künstlicher Sonne strecken. Wenn ich mich arg konzentriere, glaube ich sogar, sie wachsen zu hören. Ich erlebe, wie sich die fünffingrigen Blätter so ausrichten, dass sie das Licht von oben perfekt aufeinander aufteilen.
Und eben; leider sehe ich auch zu, wie vieles nicht rund läuft. Mit dem Blick auf die Tage nach der letzten Folge gerichtet, hat sich ein grosses Drama abgezeichnet.
Vier meiner fünf Hanf-Pflanzen der Sorte Mota CBD Rich Auto litten, und leiden teils auch heute noch, unter fehlgebildeten Blättern. Verformte Blätter, welche die Pflanze nach kurzem beginnt abzustossen. Das zeigt sich, indem die Blätter sich erst beginnen wie Gummi anzufühlen, ehe sie sich dunkler verfärben und faulig aussehen oder austrocknen und braune Stellen bekommen.
Solange neben diesen Blättern genügend gesunde vorhanden sind, kann die Pflanze weiter Photosynthese betreiben und hat eine Chance, die Fehlbildungen irgendwann zu verwachsen. Will ich ihr helfen, ist es förderlich, ihr die absterbenden Blätter zu entfernen. So braucht die Pflanze nicht weiter unnötig Energie aufzuwenden. Ich biete dem mit einer kleinen Schere bewaffnet Einhalt.
Allen Hanfis, bis auf die absolut gesund und stark aussehende Nr. 5, entferne ich Blätter. Das tue ich einige Tage danach ein zweites Mal. Doch dem Tode von Nr. 4 kann ich damit kein Schnippchen schlagen.
Bin ich froh, gibt es Nr. 5. Sie ist, was ich mir an einem Prachts-Phänotypen für diesen Grow, ja für jeden Grow, wünsche. In der Höhe überragt sie ihre Geschwister bereits mit zwölf Zentimetern und mehr. Die vergangenen 13 Tage wuchs sie um 34 Zentimeter auf 55 an. Ihre Triebe frohlocken dem Lichte, sie sprintet und macht sich allmählich schön breit. Was ihre kaum vorhandene THC-Wirkung bei mir einst leider nicht tun wird. Aber hey, es ist dennoch Cannabis und riecht zumindest gut. Als Fondue-Gewürz oder auch für Space Cookies ohne Space-Effekt wird das CBD-Gras schon taugen.
Das grosse Weibchen hilft mir, die Freude beim Growen nicht zu verlieren. Meine Ehre als Hobby-Gärtner ist vorerst gerettet. Ausserdem schwillt meine Brust auch gerade an, da ich mir die übrigen Pflanzen im Detail ansehe. Und was erspähen meine Adleraugen da?!
Na, kannst du es auch sehen?
Warte, ich zoom näher ran:
Da! Die Pflanze zeigt ihr Geschlecht!
Kleine weisse Haare = eindeutig weiblich. Männlicher Hanf macht das nicht. Der macht, wie in Folge 2 gezeigt, viele kleine Beutel mit Blütenstaub.
Hurra, haha, so gut. Endlich geht es los. Alle vier übriggebliebenen Pflänzchen, von welchen zumindest eine durch und durch gesund ist, zeigen mir heute mit ersten behaarten Stellen, dass sie mystische Wesen sind. Mysterien sind weiblich. Genauso wie auch die Schönheit und die Verführung.
Übrigens rieche ich allmählich einen verführerischen Duft. Im Zelt breitet sich, wenn auch jetzt noch dezent, ein frisch-fruchtiges Aroma aus. Es wird Zeit für den frühen Herbst, den ich heute Abend einläute, indem ich das Leuchtmittel wechsle. Zur Unterstützung der nun beginnenden Blütephase setze ich auf eine Hochdruck-Natriumdampflampe mit mehr Rotlichtanteil, auf eine Philips Master Son-T Pia Green Power mit 400 Watt.
Vermutlich ist es eines der letzten Male, dass ich bei einem Grow auf Hochdruck-Dampflampen setze. Du, beziehungsweise die Leserschaft hat mich bereits vor Wochen davon überzeugt, dass die LED-Technologie heute bereits genügend gut und auch bezahlbar ist.
So, und nun gibt es, da ich noch irgend einen Schluss für diesen Artikel brauche, ein abschliessendes Zitat von meinem Lieblingsschauspieler. Arnold Schwarzenegger, der sein Muskeltraining im letzten Jahrtausend gerne mit THC im Blut anging:
Marijuana... That's not a drug, that's a plant.
Der tägliche Kuss der Muse lässt meine Kreativität spriessen. Werde ich mal nicht geküsst, so versuche ich mich mittels Träumen neu zu inspirieren. Denn wer träumt, verschläft nie sein Leben.