
Hinter den Kulissen
«Hackfest» bei Digitec Galaxus: 54 Stunden Arbeit, 3 Minuten Präsentation
von Martin Jungfer
In der Schule war klar: Die Lehrpersonen verteilen die Noten. Bei Digitec Galaxus ist es umgekehrt. Hier benoten die Mitarbeitenden ihre Führungskraft. Out of the blue kommt die Bewertung aber nicht, sie basiert auf unseren Werten. Wir haben mit Nikola Matic, Leader Customer Care, über diesen Ansatz gesprochen.
Es ist ruhig im Büro, als ich Nikola kurz nach der Mittagspause treffe. Doch der Eindruck täuscht: Nikola und seine 17 Mitarbeitenden sind zuständig für Kundenanfragen, die nach mehr Aufmerksamkeit als üblich verlangen. Seit Ausbruch des Coronavirus haben die Kundenanfragen derart zugenommen, dass Nikola sein Team in den nächsten Wochen beinahe verdoppeln wird. Die Zeit für unser Gespräch nimmt sich Nikola trotzdem.
Ideal wäre es doch, wenn man sich regelmässig ein offenes Feedback gibt. Braucht es dann die Führungsbeurteilung als Instrument überhaupt?
Nikola Matic: Unbedingt, ich bin überzeugt, dass es die Beurteilung braucht. Gerade im operativen Bereich nimmt man sich zu wenig Zeit für Feedbacks. Arbeitet man beispielsweise Schicht, will man abends um 23 Uhr nach Hause. Rückmeldungen gehen im Daily Business zeitlich unter. Dabei braucht es nicht viel: Als Führungskraft muss man zuhören, reflektieren und sich in erster Linie nicht rechtfertigen. Die Führungsbeurteilung erinnert uns im operativen Geschäft daran, sich Zeit für Feedbacks zu nehmen.
In vielen Unternehmen beurteilen Führungskräfte ihr Team und verteilen Noten. Bei Digitec Galaxus ist es umgekehrt. Wie war es für dich, als du zum ersten Mal bewertet wurdest?
Erstaunlich normal. Ich rede zwar gerne, bin es aber auch gewohnt, zuzuhören. Ich schätze mich auch als sehr kritikfähig ein, deshalb hatte ich keine Angst vor der Bewertung. Obwohl in der Führungsbeurteilung sicherlich Eigenschaften bewertet werden, die in einem Gespräch nicht zur Sprache kommen würden. Besonders gefreut hat es mich auch, dass ich gleich bei der ersten Runde die beste Bewertung im Kundendienst erzielt habe. Schwarz auf weiss zu sehen, dass mein Team zufrieden mit mir ist, macht Freude.
Die Umfrage ist nicht anonym. Wie haben deine Mitarbeitenden darauf reagiert, dass sie mit ihrem Namen hinstehen müssen?
Ich habe beide Seiten gespürt. Viele wissen bereits, dass ich persönliche Feedbacks niemals gegen eine Person verwende. Andere Mitarbeitende hatten Respekt vor der Umfrage. Diese Unsicherheit konnte ich ihnen aber in persönlichen Gesprächen nehmen. Oftmals kennen neue Mitarbeitende das Tool der Führungsbeurteilung schon. Trotzdem sind sie überrascht, wie offen wir mit Rückmeldungen umgehen. Gerade Leute, die vorher auf einer Bank oder bei einer Krankenkasse gearbeitet haben, haben anfangs Respekt, sich zu öffnen.
Wie gehst du mit negativen Bewertungen um?
Ich lese mir jede Bewertung genau durch – egal, ob positiv oder negativ. Wenn bei einer negativen Bewertung die Begründung fehlt, frage ich bei dieser Person nach. Ich will die Kritik verstehen und Verbesserungsvorschläge formulieren. Damit biete ich meinen Mitarbeitenden « pressure points». Sie kriegen von mir ein Versprechen und haben mich damit ein Stück weit in der Hand.
Und was machst du mit dem Feedback aus dem Team? Teilst du die Erkenntnisse mit deinen Mitarbeitenden?
Natürlich, das gehört für mich zum Prozess. Habe ich noch offene Fragen, gehe ich zuerst einzeln auf die Mitarbeitenden zu und informiere das Team anschliessend. Wenn es dann zu einem Austausch im Team kommt, umso besser.
Wie hat sich deine Beziehung zum Team durch die Führungsbeurteilung verändert?
Die Beziehung zwischen dem Team und mir hat sich nicht merklich verändert. Mir war es bereits vorher wichtig, regelmässig Feedback einzuholen. Ich merke aber, dass sich die Beziehung zur Firma verändert hat. Die Führungsbeurteilung ist ein wichtiges Signal für die Mitarbeitenden: Wir haben hohe Anforderungen an unsere Führungskräfte und nehmen die Feedbacks ernst. Dadurch wird die Glaubwürdigkeit gestärkt und der Zusammenhalt gestärkt.
Und welche Note würdest du dir selbst als Führungskraft geben? (1 bis 10)
Eine 8. Mit mir kann man über alles reden. Ich stehe hinter meinem Team und halte lieber selber den Kopf hin. Meine Mitarbeitenden wissen bei mir immer, woran sie sind. Für mich zählt das ehrliche und direkte Feedback. Hinten durch oder Drama gibt's bei mir nicht. Manchmal steht mir die Ehrlichkeit aber auch im Weg. Ist ein gewisser Punkt überschritten, kann ich sehr direkt sein. Das vertragen nicht alle. Für eine 10 bräuchte ich ausserdem mehr Zeit für meine Mitarbeitenden. Und eine Weiterbildung im psychologischen Bereich (lächelt).
Mit Nachrichten finde ich mich nicht ab – mich interessieren die Geschichten dahinter. Die Neugierde ist meine ständige Wegbegleiterin: Dank ihr verbringe ich den Samstagnachmittag in meinem Lieblingskafi, lausche Stadtgeschichten, plane gleichzeitig meine Reiseabenteuer und kreiere neue Eventideen. Die Zen-Meditation muss warten.