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Huawei vs. USA: Bringt ARM Huawei zu Fall?

Huawei sieht sich im Handelskrieg zwischen China und den USA Lieferstopps von wichtigen Partnern gegenüber. Besonders der Chiphersteller ARM könnte, bei Verlust der Partnerschaft, den Konzern Huaweis zu Fall bringen.

In der jüngsten Runde des Handelskrieges zwischen den USA und China ist es US-amerikanischen Firmen untersagt, Hardware und Software an den chinesischen Hersteller Huawei zu liefern. Google hat mittlerweile eine 90tägige Frist erhalten, die es dem Suchgiganten bis zum 19. August 2019 erlaubt, mit Huawei weiter Geschäfte zu machen. Andere Hersteller von Hardware und Software hingegen haben das Nachsehen.

Im Mobile-Feld ist Huawei für die aktuelle Situation denkbar gut aufgestellt, selbst wenn die Situation nach wie vor prekär ist. Grund dafür ist das Kirin System-on-a-Chip (SoC), das von Huaweis Tochterfirma HiSilicon entwickelt wird und exklusiv in Huawei-Geräten verbaut wird. Die aktuelle Version ist der Kirin 980.

Das Wichtigste in Kürze

  • Huawei verbaut eine Vielzahl Bauteile ausländischer und amerikanischer Herkunft in seinen Geräten
  • Es ist nicht immer klar, woher ein Teil stammt, da diese von internationalen Konzernen entwickelt werden
  • Beispiel: Die CPU der Kirin-Plattform stammt aus den USA, wird von einer Firma in England verwaltet, die einem japanischen Unternehmen gehört
  • Huawei hat in den vergangenen Monaten Lagerbestände aufgebaut
  • Huaweis Vorräte reichen laut Berichten zwischen drei Monaten und einem Jahr
  • Sollte Huawei ARM als Partner verlieren, könnte das Geschäft des Konzerns ernsthaft in Gefahr sein

Was ist ein System-on-a-Chip

Dein Smartphone läuft auf einem System-on-a-Chip (SoC). Das ist nicht nur ein Chip, sondern kann mit dem Mainboard eines Computers verglichen werden. Auf einer Platine werden Chips mit Funktionalität angebracht, die dann zusammen die Leistung und Fähigkeiten deines Smartphones bestimmen.

Ein demontiertes Huawei P30 Pro
Ein demontiertes Huawei P30 Pro
Quelle: ifixit.com

Hardwareseitig sind SoCs in der Regel L-förmig und schmiegen sich um den Akku herum, der den meisten Platz in deinem Smartphone einnimmt. Die Kirin-Plattform hingegen ist rechteckig und oben über dem Akku angebracht. Der Akku ist nach wie vor das grösste physische Bauteil deines Phones.

  • CPU: Central Processing Unit, der Prozessor, in der Regel mehrkernig
  • GPU: Graphics Processing Unit, die Grafikkarte
  • LTE Modem: Long Time Evolution Modem, Datenkonnektivität und deren Standard
  • GPS: Global Positioning Software, Navigation durch Satellitendaten
  • Und so weiter

Alle diese Elemente werden von separaten Chips auf einer Platine ermöglicht und geregelt. Genau da wird es für Huawei und HiSilicon schwierig, weil Teile dieser Technologie zugekauft sind. Der Grund, weshalb Huawei sich mit der Kirin-Plattform gut positioniert hat, ist der, dass im Vergleich mit der Konkurrenz viel Huawei-eigenes Development in deinem Handy steckt. Ein Blick auf die einzelnen Chips aber sagt aus, dass sich Huawei bei weiterem Fortbestehen des Handelsverbots grösseren Problemen gegenübersieht.

Eine wichtige Notiz an dieser Stelle: Die Kirin-Plattform und der ARM Cortex dienen hier als Illustration. Huaweis Matebooks haben dasselbe Problem, die Netzwerk-Hardware ebenfalls, Smartwatches auch. Kurz: Egal, was Huawei herstellt, es sind Teile drin, die zugekauft sind.

ARM als grosser Wackelkandidat

Die CPUs auf HiSilicons Kirin 980 stellen mit acht Kernen das Gehirn des Smartphones dar. Die Systemleistung reicht von maximal 2.6GHz auf dem ARM Cortex-A76 bis zu maximal 1.92GHz auf dem ARM Cortex-A55. Diese Leistung wird in der Regel nach der effizienten Maxime «So viel Leistung wie nötig, so wenig wie möglich» abgerufen.

Die ARM Cortex CPUs werden zentral von ARM Ltd verwaltet. ARM hat seinen Firmensitz in Cambridge, England. Dass die Cortex-Chips vom Handelsverbot ausgenommen sind, ist aber nicht gesagt. Denn laut Chiplexikon WikiChip ist der Cortex A76, Codename Enyo, in Austin, Texas, entwickelt worden. Gilt das jetzt als US-Produkt?

Rettend könnte Huawei hier einer der ARM-Firmensitze in China zur Hilfe stehen. Denn ARM hat Interesse daran, weiterhin Geschäfte mit Huawei zu machen, denn Huawei ist eine grosse Einnahmequelle.

Das SoC besteht aus einer Vielzahl Chips und Teilen
Das SoC besteht aus einer Vielzahl Chips und Teilen
Quelle: ifixit.com

Dieselbe Situation betrifft auch den Grafikchip auf der Kirin-Plattform. Der Mali-G76 Chip stammt ebenfalls aus dem Hause ARM. Ausser, dass halt die Entwicklung in einem Unternehmen namens Falanx Microsystems aus dem Norwegischen Trondheim begonnen hat.

Aber diese nationale Verkettung betrifft nur die Architektur des Chips, nicht aber den Chip als physisches Objekt selbst. Huawei lizenziert die Architektur von ARM in England. Aber ARM ist eine Tochterfirma eines japanischen Unternehmens namens Softbank. Hergestellt werden die Chips von einem Taiwanesischen Unternehmen namens TSMC. Ob Taiwan nun ein unabhängiger Staat ist oder nicht, ist vor allem von der Chinesischen Regierung umstritten.

Eine Ausweichmöglichkeit, sollte der ARM Cortex nun eine US-amerikanische Entwicklung sein und Taiwan zu China gehören, könnte Samsung sein. Denn Samsung gehört zu den weltweit grössten Herstellern von Halbleitern und Chips und ist in Südkorea ansässig. Wenn Huawei den Auftrag über ARM Cortex aus Taiwan nach Südkorea schiebt, dann wäre die Geschäftsbeziehung, zumindest theoretisch, wie folgt denkbar:

  • Intellektuelles Eigentum: ARM - England, USA
  • Verkäufer der Lizenz: Softbank - Japan
  • Käufer der Lizenz: Samsung - Südkorea
  • Verkäufer des physischen Chips: Samsung - Südkorea
  • Käufer des physischen Chips: Huawei - China

Ob diese Kette aber realistisch zustandekommen kann, wer wo wann unter welchen Umständen mit wem was wie produzieren darf und andere pertinente Fragen zu diesem Thema sind für Laien nicht beantwortbar. Denn wenn die Situation mit dem Handelsverbot, wie es am 22. Mai 2019 steht, weiter Bestand hat, dann werden sich Juristen drum kümmern müssen.

Ausser ARM arbeitet nicht mehr mit Huawei zusammen. Dies berichtet die britische BBC Dort heisst es, dass ARM per sofort alle Geschäftsbeziehungen zu Huawei einstellen soll. Der Grund dafür sei, dass die ARM CPUs «US-amerikanische Technologie» beinhalten.

Derweil in der Realität

Doch noch bevor sich die Juristen um allfällige mehr oder weniger kreative Workarounds um die Handelsverbote ausdenken und diese dann legitimieren können, finden in der Realität Lieferstopps statt. Hierzu soll stellvertretend für eine grössere Anzahl Lieferanten das US-amerikanische Unternehmen Qorvo stehen. Laut einer Kurzmeldung der Nachrichtenagentur Reuters hat der Hersteller des Front End Modules auf dem Kirin 980 SoC die Lieferungen an Huawei am Dienstag, 21. Mai 2019, eingestellt.

In einem Communiqué auf seiner Website hat Qorvo die prognostizierten Wirtschaftszahlen für das erste Quartal 2019 angepasst. Dies als direkte und explizite Folge der Sanktionen gegen Huawei.

This update is in response to action taken by the Bureau of Industry and Security (BIS) of the United States Department of Commerce to add Huawei Technologies Co., Ltd. and 68 of its affiliates (“Huawei”) to the “Entity List” maintained by the Department. The BIS action prohibits the sale to Huawei by Qorvo of all products covered by the Export Administration Regulations (EAR) absent obtaining an appropriate export license.
Qorvo.com, 22. Mai 2019

Übersetzung:

Dieses Update ist eine Reaktion auf die Aktionen des Bureau of Industry and Security (BIS) der US-Handelskammer, die Huawei Technologies Co., Ltd. und 68 seiner Schwestergesellschaften (
Huawei") auf die schwarze Liste der Handelskammer gesetzt hat. Die Aktionen des BIS verbieten den Verkauf aller Produkte unter der Export Administration Regulation (EAR) an Huawei durch Qorvo ohne eine passende Exportlizenz. "Qorvo.com, 22. Mai 2019

Huawei hat sich laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Bloomberg auf Lieferstopps vorbereitet und Chips für «mindestens drei Monate» auf Lager genommen, damit die Produktion von Smartphones und anderen Geräten nicht unterbrochen werden muss. Wie lange genau die Vorräte in den Lagern Huaweis reichen, ist aber unbekannt. Die South China Morning Post spricht von einem Jahr Lagermaterial. Laut Bloomberg, unter Berufung auf anonyme Quellen, sei Huawei bereits im vergangenen Dezember von Regierungskontakten gewarnt worden, dass sich das Unternehmen mit Lieferstopps konfrontiert sehen könnte. Der Rat: «Sucht nicht-amerikanische Alternativen».

Besagte Lieferstopps ziehen weitere Kreise, denn nicht nur US-amerikanische Unternehmen haben aufgehört, Huawei zu beliefern. Der deutsche Hersteller Infineon hat laut einem Bericht des japanischen Börsenmagazins Nikkei die Lieferungen von Chips eingestellt, die in den USA hergestellt werden. Der Grund: Infineon will abklären, wie sich die rechtliche Situation darstellt, bevor sich das Unternehmen allenfalls eines Vergehens schuldig macht.

Der ARM-Verlust als Todesbote?

Sollte Huawei ARM dauerhaft als Partner verlieren, so könnte das laut Analysten der BBC zu einem «unüberwindbaren Problem» werden. Denn ohne ARM keine Smartphones zum jetzigen Zeitpunkt.

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Dazu kommt erschwerend hinzu, dass mit dem Verlust von ARM ein Ausweichplan zum Bau von Laptops verloren geht. Denn nach dem Lieferstopp des zweifellos amerikanischen Konzerns Intel fehlt Huawei unter anderem Technologie für Prozessoren in mobilen Computern. Die Kirin-Plattform aber leistet genug um – mit einigen Modifikationen – einen Laptop mit anständiger Leistung zu versorgen. Besonders auch darum, da das von Huawei angekündigte, eigene Betriebssystem die Lücke zwischen Smartphone und Computer schliessen soll.

Trotzdem: Sollte Huawei wieder von der schwarzen Liste entfernt werden, kann das Geschäftemachen über die Landesgrenzen weitergehen. Es ist also noch lange nicht alles verloren, vor allem, da in den USA bereits Ausnahmelizenzen zum Handel mit Huawei vergeben werden. Die Situation entwickelt sich nach wie vor.

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Journalist. Autor. Hacker. Ich bin Geschichtenerzähler und suche Grenzen, Geheimnisse und Tabus. Ich dokumentiere die Welt, schwarz auf weiss. Nicht, weil ich kann, sondern weil ich nicht anders kann.


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