Hintergrund

Lucas Huppert – Mountainbike Freerider

Der Schweizer Shootingstar der MTB Freerider lebt in Zürich und trainiert unter anderem im Züritrails Jumppark. Dort treffe ich Lucas Huppert an einem windigen Abend zum Fotoshooting. Zur Begrüssung fragt er als erstes: «Hast du meine Mail nicht gesehen?»

Lucas Huppert ist der Schweizer Mountainbike Freerider der Stunde. Ich treffe den 19-Jährigen im Zürcher Kreis 3 zum Fotoshooting. Er trainiert dort im Züritrails Jumppark. Zur Begrüssung fragt er mich, ob ich seine Mail nicht gesehen habe. Nein, habe ich nicht. Also checke ich das rasch:

Man kann. Aber dazu später mehr.

Wind ist immer problematisch.
Wind ist immer problematisch.

Von 60 auf 15

Zuerst setzen wir uns in einen Materialcontainer und quatschen über Lucas' bisherige Karriere. 2018 startet er durch, holt auf der FMB World Tour seinen ersten Sieg an einem Gold Event und springt sich in der Weltrangliste von jenseits der 50 nach vorne. Aktuell liegt er auf Rang 15.

Du wurdest dieses Jahr beim wichtigsten Event 2019, dem Crankworx in Neuseeland, Achter, bist aktuell die Nummer 15 der Welt und einer der Shootingstars der Szene. Wie sehr hat sich dein Leben verändert?
Lucas Huppert: Mit 16 Jahren denkst du nicht gross nach. Du fährst einfach Velo. Und hast deinen Spass dabei. Fertig. Heute geht es um Trainingsplanung, Ernährung und solche Sachen. Ausserdem mache ich eine Lehre als Elektroinstallateur. Da ist alles strukturierter. Also ich lebe insgesamt schon bewusster. In den Burger King gehe ich trotzdem noch ab und zu (er lacht).

Wie oft trainierst du?
In der Regel bin ich von Donnerstag bis Montag auf dem Bike. Dienstags und mittwochs mache ich Pause. Früher bin ich jeden Tag gefahren. Das war oft zuviel und ich entsprechend müde. Heute höre ich mehr auf meinen Körper. Das ist auch etwas, das sich in den letzten zwei, drei Jahren verändert hat.

Backflip
Backflip

(Zu) viel Wind

Zurück zum Wind. Der pfeift heute so stark über die Rampen, dass Lucas eigentlich nicht fahren würde. Zu gefährlich. Für uns macht er eine Ausnahme. Das betont auch sein Kumpel und Trainer Chris, den Lucas kennt, seit er zwölf Jahre alt ist. Mir wird ein bisschen mulmig in der Magengrube. Was, wenn ihn eine Böe erwischt und er sich beim Shooting verletzt? Am Wochenende geht in Thun das «Swatch Rocket Air» über die Bühne. Und der Schweizer ist natürlich eines der Zugpferde des Gold Events. Meine Sorge ist jedoch unbegründet. Lucas weiss das Risiko exakt einzuschätzen und wie weit er bei diesen Bedingungen gehen kann. Bei einem seiner Jumps streckt er der Kamera rasch die Zunge raus. Das sieht Fotograf Thomas Kunz, der mich begleitet, jedoch erst, als er das Bild vergrössert. «Der Giel hat während des Jumps sogar noch die Zeit, mit der Kamera zu flirten», meint der Berner beim Betrachten der Aufnahme baff.

Hier wurde nichts «gefotoshopped». Ich schwörs.
Hier wurde nichts «gefotoshopped». Ich schwörs.

2018 war dein Jahr. Du wurdest unter anderem auch zum Red Bull «Rookie Of The Year» gewählt und bist oft unterwegs. Für diesen Award bist du beispielsweise nach Kanada geflogen. Wie lässt sich das mit deiner Lehre vereinbaren?
Mein Lehrmeister ist diesbezüglich äusserst grosszügig. Wenn es um den Sport geht, gibt er mir immer frei. Er kam auch schon zu mir und sagte: «Lucas, das Wetter ist super und du hast doch nächste Woche diesen wichtigen Wettkampf. Willst du die nächsten beiden Tage nicht lieber trainieren?» Oder im März zum Beispiel. Da habe ich erst 48 Stunden vor dem Event erfahren, dass ich als Nachrücker für das Crankworx in Roturua in Neuseeland eingeladen wurde. Das liegt ja auch nicht gleich um die Ecke.

Und dein Chef?
Der sagte bloss: «Natürlich fliegst du nach Neuseeland. Das ist eine einzigartige Chance. Sowas erlebst du vielleicht nur einmal in deinem Leben.» Mein Lehrmeister ist diesbezüglich wirklich super. Und trotzdem kann ich mich nicht mit einem Vollprofi vergleichen, der 40 Stunden pro Woche auf dem Bike sitzt.

Hat jemand was von «auf» dem Bike sitzen gesagt?
Hat jemand was von «auf» dem Bike sitzen gesagt?
Wer sitzt schon auf dem Bike?
Wer sitzt schon auf dem Bike?
Oder doch?
Oder doch?
Eben!
Eben!

Diesen Sommer schliesst du die Lehre ab. Wie geht es dann für dich weiter, was sind deine sportlichen Ziele?
Das hängt stark von den Sponsoren ab. Besser gesagt, von der Frage, ob ich bis dann noch weitere finanzielle Unterstützung erhalte. Das Ziel ist es aber sicherlich, den ganzen nächsten Winter zu fahren, neue Tricks zu lernen und dann 2020 voll anzugreifen. Es ist schon mein Wunsch, von meinem Sport leben zu können. Vielleicht in Verbindung mit einem kleinen Nebenjob.

Und wie lange siehst du dich über die Schanzen fliegen? Das Verletzungsrisiko ist in deinem Sport doch relativ hoch, oder?
Ja, du brauchst definitiv einen Plan B. Bis zur Rente mache ich das sicher nicht. Es gibt zwar Riders, die auch jenseits der 30 noch auf der Tour dabei sind. Sie sind aber definitiv die Ausnahme. Darüber will ich mir jetzt aber noch nicht zu viele Gedanken machen. Ich bin erst 19.

Wo bitte geht es zur Landezone?
Wo bitte geht es zur Landezone?
Auch horizontal sieht gut aus.
Auch horizontal sieht gut aus.
Volle Konzentration ist gefragt.
Volle Konzentration ist gefragt.

Und die Mädchen?

Am Ende des Gesprächs meldet sich Chris nochmals zu Wort. Ich solle Lucas noch wegen der Groupies fragen. Groupies? Lucas windet sich. Ja, das gäbe es zwar schon. In gewissen Ländern sei man als Rider beliebt, in anderen sei seine Sportart nichts Spezielles, das sei ja nur ein bisschen Velöle und das könne doch jeder. Und weiter sagt er: «Also doch, wie soll ich sagen? Ja, es gibt nach einem Wettkampf jeweils eine Afterparty. Da gehe ich schon auch hin. Und ja, da hat man schon gelegentlich dieses "Hang Loose-Rock'n'Roll-Lebensgefühl". Aber wir sind halt in erster Linie doch wegen des Wettkampfs dort. Also, ja ...» Chris steht währenddessen im Hintergrund und grinst. Und ich sage dazu nur: Ein Gentleman geniesst und schweigt.

Lucas Huppert, Shootingstar der Schweizer MTB Freeride-Szene.
Lucas Huppert, Shootingstar der Schweizer MTB Freeride-Szene.
Nein, um Leben und Tod geht es heute dann doch nicht.
Nein, um Leben und Tod geht es heute dann doch nicht.

Mehr zu Lucas Huppert und dem «Swatch Rocket Air» in Thun gibts am Freitag bei Galaxus Sport und auf Instagram. Im Sattel bleiben und nichts verpassen? Dann folge hier meinem Autorenprofil.

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Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.


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