Stefanie Lechthaler
Hintergrund

MeliBio-Gründer im Interview: Wie wird veganer Honig hergestellt?

Darko Mandich hat sich mit den negativen Auswirkungen der konventionellen Honigherstellung beschäftigt. Er möchte den Bienen eine Verschnaufpause geben. Dafür hat er einen veganen Honig entwickelt.

Schon vor zwölf Jahren hat der Schweizer Film More than Honey gezeigt, dass die Honigindustrie mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Die Wildbienen leiden unter Massensterben und die Grossindustrie hat keine Chance, ihre Nutztiere artgerecht zu halten.

Darko Mandich erlebt diese Umstände als Angestellter bei einem Honigproduzenten hautnah mit. Dann fällt er die Entscheidung, seine Karriere in der konventionellen Industrie an den Nagel zu hängen und den Tieren zu helfen. Er ist überzeugt: Die Bienen brauchen eine Auszeit. Zusammen mit Aaron M. Schaller gründet er die Firma MeliBio und entwickelt einen veganen Honig, der wie das Original aussehen, riechen und schmecken soll – ohne die Hilfe der Tierchen.

Im Gespräch gibt er einen Einblick in das Verfahren, spricht über gepanschten Honig und verrät, welche verrückte Honigkombination in den USA besonders gut ankommt.

Darko Mandich will die Honigindustrie umkrempeln.
Darko Mandich will die Honigindustrie umkrempeln.
Quelle: Darko Mandich

Du sagst, dass du den Bienen eine Pause verschaffen willst. Wieso brauchen sie eine?
Die konventionelle Honigproduktion bringt viele Schwierigkeiten mit sich – sowohl für die Bienen als auch für den Planeten. Eines der Probleme ist, dass in der Produktion fast nur die europäische Honigbiene, Apis mellifera, eingesetzt wird. Ausserhalb von Europa kann diese Art invasiv sein und andere Bestäuber verdrängen. Dabei gäbe es weltweit über 20 000 einheimische Wildbienenarten, die zwar keinen Honig produzieren, aber sich genau auf ihre entsprechenden Pflanzen spezialisiert haben und darum effizienter in der Bestäubung wären. Infolgedessen beschleunigt die massenhafte Einführung der europäischen Honigbienen ausserhalb Europas den Klimawandel. Denn mit dem Rückgang der Artenvielfalt der Wildbienen nimmt auch die Vielfalt der Pflanzen ab. Und die sind für die Speicherung von CO₂ notwendig.

Gibt es noch weitere Schwierigkeiten?
Die Honigproduktion ist für den Menschen wie auch das Tier sehr aufwändig und arbeitsintensiv. Dazu kommt, dass sich die Nutztiere ihre Nistplätze nicht selbst aussuchen können. Sie leben in Bienenkästen. Wird eine Kolonie von einer Krankheit befallen, überträgt sich diese schnell auf benachbarte Bienenstöcke. Der europäische und der amerikanische Honigmarkt sind zudem nicht selbsttragend. Sie sind darauf angewiesen, gepanschte – also gestreckte – Produkte zu importieren. Diese enthalten nur einen Bruchteil an Honig, werden mit Zuckersirup gestreckt und zählen deshalb zum falschen Honig.

Gibt es Methoden, um gepanschten Honig von echtem zu unterscheiden?
Es gibt viele Mythen um Hausmittelchen, die beim Entlarven von gepanschtem Honig helfen sollen. Die Forschung hat aber gezeigt, dass diese Methoden nicht funktionieren. Die Laboruntersuchungen werden zwar stets verbessert, aber der Schwarzmarkt findet immer neue Wege, um diese Berichte zu umschiffen. Es ist schwierig, hundertprozentig klarzustellen, ob es sich um echten Honig handelt. Aber es gibt Indikatoren, die darauf hinweisen. Kaufst du teuren Honig in einer lokalen Imkerei, ist er wahrscheinlich echt.

Deine Firma bietet als Alternative veganen Honig an. Wie wird der ohne die Bienen produziert?
Die Bienen fliegen unterschiedliche Blüten an und fressen Nektar und Pollen. Dann brechen sie die Pflanzenmasse in dafür zuständigen Organen mit Enzymen zu Fructose und Glukose herunter. Wenn sie dann in den Bienenstock zurückkommen, würgen sie den Honig wieder heraus. Sobald der sich im Bienenstock abgesetzt hat und altert, nehmen die Imker die Rahmen aus dem Bienenstock und geben sie in eine Zentrifuge. Dann fliesst der Honig heraus. So wurde herkömmlicher Honig gemacht.

Ich stelle mir gerade vor, wie für den veganen Honig ganz viele Leute auf einem Blumenfeld stehen und den Pollen aus der Blüte kratzen.
Nicht ganz (lacht). Wir haben einen neuartigen Ansatz entwickelt, bei dem wir dieselben Pflanzen wie die Bienen verwenden. Dafür haben wir ein grosses Netzwerk an Pflanzen-Lieferanten. Aus den Pflanzen extrahieren wir dann die benötigten Bestandteile für den Honig. Damit, würde ich sagen, erreichen wir eine 90-prozentige molekulare Ähnlichkeit zu Honig.

  • Produkttest

    Vegan Hanny im Test: Wie gut schmeckt die vegane Honig-Alternative?

    von Stefanie Lechthaler

Habe ich das richtig verstanden, ihr verwendet also die ganze Pflanze?
Korrekt. Das Tolle an unserer Methode ist, dass wir nicht nur die Pollen, sondern alles verwerten können. Je nach Pflanze sogar die Wurzel. Das macht uns sogar effizienter als die Honigbienen.

Könnte man also sagen, dass ihr den Zucker aus der Pflanze extrahiert und daraus den Honig macht?
Ja, richtig, aber nicht nur. Der Zucker gehört natürlich dazu, aber einen wichtigen Teil machen auch andere pflanzliche Stoffe aus. Zur Einordnung: Momentan gibt es 300 verschiedene Honigsorten auf der Welt. Vier davon können wir nachstellen. Unser Ziel ist es, noch viele weitere Varianten nachzustellen.

Du hast erwähnt, dass das Erbrechen der Bienen ein wichtiger Teil bei der Entstehung von Honig ist. Wie imitiert ihr das?
Diesen Prozess werden wir auf den Honig der zweiten Generation anwenden. Der ist aber noch in der Entwicklung. Der kulinarische Honig, der momentan verfügbar ist, gehört zu unserer ersten Generation.

Kulinarischer Honig?
Kulinarischer Honig wird Lebensmitteln und Getränken zum Süssen beigegeben. Dieser ist normalerweise leichter und flüssiger. Bei unserem Honig der zweiten Generation wollen wir die Vorgänge, die in einer Biene ablaufen, nachstellen. Man könnte sagen, dass wir eine Honigbiene nachbauen wollen. Damit wollen wir in der Lage sein, bestimmte Enzyme biologisch herzustellen, die Teil unserer zukünftigen Honigzusammensetzung werden.

Wie oder woher kommen diese Enzyme?
Wir benutzen Mikroorganismen, die es in der Natur schon immer gab. Unser Forschungsteam steuert diese dann so, dass sie die Mechanismen simulieren, die im Magen der Honigbienen vorgehen. Die Mikroorganismen geben dann dieses Enzym in den Honig ab. Das ganze passiert in Bioreaktoren.

Ich habe den Honig der ersten Generation probiert und war positiv überrascht – er kommt geschmacklich sehr nahe an das tierische Produkt heran. Gebt ihr etwas dazu oder reicht dafür euer Verfahren aus?
Der Hauptgrund, weswegen unser Honig so authentisch schmeckt, ist, dass wir die molekulare Struktur von Honig möglichst genau imitiert haben. Es stellte sich heraus, dass das für den natürlichen Geschmack reicht. Schon von Anfang an haben wir eng mit Chefköchen und -köchinnen zusammengearbeitet. Unter anderem auch mit einem Restaurant in New York, das mit Michelin-Sterne ausgezeichnet ist. Es galt als Beta-Test. Unser Honig kann heute noch dort gekauft werden.

Der vegane Honig hat in der gehobenen Küche Einzug gefunden.
Der vegane Honig hat in der gehobenen Küche Einzug gefunden.
Quelle: Darko Mandich

Verwendet ihr für den europäischen und den amerikanischen Honig jeweils dort heimische Pflanzen?
Wir haben die geschmacklichen Unterschiede auf jeden Fall berücksichtigt: Der Honig in den USA ist an den dort beliebten Kleehonig angelehnt, während der europäische Honig dem osteuropäischen Akazienhonig im späten Frühjahr nachempfunden wurde.

Sind die Menschen in den USA eigentlich offen gegenüber nicht-tierischen Alternativen?
Weniger als in Europa, aber ich würde sagen, dass sich die USA dem annähert. Meiner Meinung nach gibt es in einigen Ländern wie der Schweiz, Niederlande, dem Vereinigten Königreich oder Deutschland ein grösseres Interesse, tierfreie Produkte auszuprobieren. Vielleicht, weil die Menschen in Europa schneller dazu bereit sind, ihre Essgewohnheiten zu verändern, wenn sie wissen, welchen Einfluss sie damit auf die Umwelt haben.

Ist Honig gesund? Er besteht zum grossen Teil aus Zucker…
Dass Honig aus 80 Prozent Zucker besteht, will ich gar nicht verneinen. Aber in einer Welt, in der viel Süsses konsumiert wird, gehört Honig für mich definitiv zu den gesünderen Süssungsmitteln.

Bei mir löst er schon ein Verlangen nach Süssem aus, je nachdem worauf er verwendet wird.
In den USA wird Honig in vielen Lebensmitteln verwendet, oft auch mit scharfen Geschmacksrichtungen kombiniert. Darum war das zweite Produkt, das wir in den USA veröffentlicht haben, scharfer Honig. Dieser wird auf Pizza und Burger verwendet. Verrückt, oder?

Better Foodie Vegan Hanny (1100 g)
Brotaufstrich
Mengenrabatt
CHF11.40 bei 2 Stück CHF10.82/1kg

Better Foodie Vegan Hanny

1100 g

Die niederländische Firma Fooditive entwickelt gerade eine ähnliche Alternative zu Honig, die aber aus Apfel- und Pfirsichresten hergestellt wird. Mehr dazu findest du im Beitrag meiner Kollegin und Wissenschaftsredakteurin Anna Sandner.

  • News & Trends

    Honig ohne Bienen: Niederländisches Food-Tech-Start-up entwickelt veganen Honig

    von Anna Sandner

Titelbild: Stefanie Lechthaler

10 Personen gefällt dieser Artikel


User Avatar
User Avatar

Die Wände kurz vor der Wohnungsübergabe streichen? Kimchi selber machen? Einen kaputten Raclette-Ofen löten? Geht nicht – gibts nicht. Also manchmal schon. Aber ich probiere es auf jeden Fall aus.


Lebensmittel
Folge Themen und erhalte Updates zu deinen Interessen

Diese Beiträge könnten dich auch interessieren

  • Hintergrund

    So kommen Zweifel-Chips in die Tüte

    von Simon Balissat

  • Hintergrund

    Mythencheck: Mögen deine Pflanzen Heavy Metal?

    von Darina Schweizer

  • Produkttest

    Vegan Hanny im Test: Wie gut schmeckt die vegane Honig-Alternative?

    von Stefanie Lechthaler

2 Kommentare

Avatar
later