
Ratgeber
Von innerer Ruhe und Donut-Fantasien
von Natalie Hemengül
Ich möchte an Ort und Stelle nach mir selbst suchen. Auch innere Ruhe kann ich brauchen. Nur, wo fange ich an?
Ratgeber-Artikel frustrieren. Zuerst ist da die Hoffnung, endlich zu erfahren, an welchen Stellschrauben des Glücks ich drehen muss, um wahre Zufriedenheit zu erfahren. Dann prasseln sie Zeile um Zeile wie faustgrosse Hagelkörner auf mich herab: Die klischeehaften Sprüche, denen ich in meinem Leben bereits mehr als einmal in Form von Wandtattoos begegnet bin. Nur ungern gebe ich zu, dass sie in ihrem Kern einen Funken Wahrheit tragen. Ich weiss es, fühle und lebe es aber nicht. Und so kommt’s, dass ich mich statt auf dem grünen Zweig der Erleuchtung, mit ausgebreiteten Armen und dem Gesicht zur Erde im Matsch wiederfinde. Um es so auszudrücken, wie ich es nicht hören will: Jeder fängt unten an.
Dennoch bin ich entschlossen, meinen Alltag bewusst positiv zu gestalten. In meinen Selbsthilfebüchern und -artikeln führen alle Wege nach «Meditation». Ich lese von den vielen Vorteilen, verstehe jedoch nicht. Noch nicht. Deshalb hole ich mir Hilfe vom Profi, Carina Iten. Vor 15 Jahren entdeckte sie die Entspannungstechnik für sich. Heute ist die 32-Jährige Meditations-Trainerin und bietet mit Tender Mind verschiedene Workshops und Kurse an.
20 Minuten. So lange meditiert Carina jeden Morgen. Am Wochenende auch mal länger. «Wenn ich meditiere, ist es, als würde ich den Reset-Knopf drücken», erklärt sie mir. Danach fühle sie sich jedes Mal aufs Neue entspannt, regeneriert und glücklich. «Du lernst dabei, auch im Alltag deine Gedanken zu beobachten. Die Art, wie wir mit uns selbst sprechen, innerlich Dinge kommentieren. Darin zeichnen sich Muster ab, die du erst erkennst, wenn du in dich hineinhorchst.» Unsere Gedanken beeinflussen, wie wir handeln und unser Handeln wiederum beeinflusst unsere Gedanken. Das leuchtet ein. «Wenn du immer dasselbe tust, wirst du immer dieselben Gedanken reproduzieren. Machst du jedoch neue Erfahrungen, verändert sich dein Denken. Nicht selten öffnen sich dadurch neue Türen.»
«Meditation war für mich ein Gamechanger»
Hinter Carinas Türe wartete ein völlig neues Lebensgefühl. «Mein Morgen begann stets mit mehrmaligem Drücken der Schlummer-Taste. Manchmal schaffte ich es erst fünf Minuten, bevor ich zur Tür raus musste, aus dem Bett. Dadurch hatte ich den ganzen Tag über das Gefühl, der Zeit hinterherzuhinken.» Auch morgendliche Konversationen lagen nicht drin. Heute ist das anders. «Ich bin nicht mehr gestresst und morgens gesprächig, weil ich mir bereits eine Stunde Me-Time gegönnt habe.»
Beim Meditieren richtest du deinen Fokus nach innen. Du hörst in dich hinein, kommst im Hier und Jetzt an. Achtsamkeit (Mindfulness) dagegen ist die informelle Praxis der Meditation: Im Alltag präsent sein, bei allem, was du tust. Beide Konzepte ergänzen sich und beeinflussen die Art, wie du kommunizierst, isst, mit anderen und dir selbst umgehst und welche Gedanken du zulässt. «Was sich die Leute von einer Meditation erhoffen, fällt von Person zu Person unterschiedlich aus», so Carina. «Manche wollen abends vom stressigen Tag herunterkommen, andere ihre Konzentration schärfen und wiederum andere möchten mehr Energie haben oder ein konkretes Ziel visualisieren.» Dennoch betont sie:
«Sei offen für alles, aber erwarte nichts.»
«Es ist zwar wichtig, zu wissen, welchen Effekt du dir von der Meditation wünschst, um die richtige Technik für dich zu finden, dennoch musst du alle Erwartungen fallen lassen.» Laut Carina kannst du mit Meditieren deine Konzentrations- und Leistungsfähigkeit steigern und deiner geistigen und körperlichen Gesundheit etwas Gutes tun, weil du dich und deine Bedürfnisse besser spürst. Auch deinen Gemütszustand kannst du positiv verändern sowie morgens ausgeglichen in den Tag starten und abends besser entspannen.
Carina empfiehlt, das Bewusstsein als eine Art Muskel zu betrachten. Ähnlich wie beim Sport gilt hier: Je häufiger ich ihn trainiere, desto mehr Fortschritte sehe ich. Andere Entspannungstechniken, wie zum Beispiel ein Bad nehmen, helfen nur für den Moment. Mit Meditation hingegen könne ich langfristige Effekte erzielen. «Viele denken, dass sie nach einer Session zur Erleuchtung gelangen. Ich empfehle dir, erst nach 21 Tagen eine Zwischenbilanz zu ziehen. Dann fängt dein Körper an, die neue Routine als eine solche zu akzeptieren.»
Generell unterscheide man zwischen drei Typen von Meditation. «Mit einer Atemmeditation praktizierst du unterschiedliche Atemtechniken. So kannst du beispielsweise Einfluss auf deinen Umgang mit körperlichen Schmerzen nehmen. Bei Mindmeditationen arbeitest du mit Mantras, Affirmationen und Visualisierungen, um zum Beispiel Ängsten entgegenzuwirken. Und dann gibt's noch die Körpermeditation. Hier sind Gesten, Haltungen und das Gespür für den eigenen Körper zentral.»
«Keep it simple», so Carinas Motto. «Viele denken, dass Meditieren kompliziert ist und wagen sich deshalb erst gar nicht an das Thema heran.» Dabei gäbe es kein Richtig oder Falsch. Laut der Expertin kannst du auch ohne Know-how einen Anfang wagen: «Horche in dich hinein und beobachte deinen Atem. Du wirst merken, dass deine Gedanken immer wieder abdriften und herumwandern. Durch diese Beobachtung kommst du wieder zurück zu deinem Atem.» Ein Spiel, das sich gerade zu Beginn mehrfach wiederholt. «Der einzige Fehler, den du begehen kannst: Dich nicht ganz darauf einzulassen und nebenher aufs Handy zu schielen oder gar den TV laufen zu lassen.»
Carina erklärt, dass sie mir zwar dabei helfen kann, die passende Meditation zu finden, dennoch sei es ein Ausloten und Herumexperimentieren. «Es gibt kein universelles Rezept. Dabei kannst du Faktoren wie zum Beispiel Dauer, Art, Ort, unterstützende Tools wie Musik und Düfte an deine Bedürfnisse anpassen. Schlussendlich muss es für dich stimmen.»
So geht's weiter:
Ich weiss nun, worauf ich mich einlasse. Jetzt folgt die Umsetzung. Im nächsten Beitrag erfährst du, wie eine 21-Tage-Challenge aussehen kann und mit welchen Hilfsmitteln du Ablenkungen und andere Probleme erfolgreich meisterst.
Als Disney-Fan trage ich nonstop die rosarote Brille, verehre Serien aus den 90ern und zähle Meerjungfrauen zu meiner Religion. Wenn ich mal nicht gerade im Glitzerregen tanze, findet man mich auf Pyjama-Partys oder an meinem Schminktisch. PS: Mit Speck fängt man nicht nur Mäuse, sondern auch mich.