
Hintergrund
Einfach Schoggi so ein Sprüngli
von Patrick Bardelli
Endlich wieder Skifahren! Ende Januar stehe ich in Laax nach 15 Jahren zum ersten Mal wieder auf zwei Latten. Es ist herrlich und schreit nach mehr. Kurz darauf bin ich im Gebiet Hoch-Ybrig am Fahren und schreie. Vor Schmerz.
Ich wollte doch nur fahren. Und zwar Ski. Rauf und runter, immer wieder. Schliesslich hatte ich viel aufzuholen. Es waren exakt 15 Jahre, die ich wettmachen musste. Das kam dabei raus:
Vermutlich habe ich die klassische Ski-Biografie eines Schweizer Jungen. Mit Sieben das erste Mal auf den damals noch unendlich langen Latten, Papa der erste Lehrer. Dann Skischule in den Weihnachtsferien, mal in Scuol, mal in Davos. Skilager in Sörenberg und auf dem Stoos. Jedes zweite Winter-Wochenende auf den Pisten von Meiringen-Hasliberg, Obersaxen oder Andermatt unterwegs. Und dann 15 Jahre Pause. Wieso? Mal fehlte die Zeit, mal das Geld, mal die Lust.
Ende Januar bin ich dann für die Rubrik «Patrick macht Sport mit ...» in Laax und stehe wieder auf den Brettern, die mir früher die Welt bedeutet haben. Den Beitrag dazu gibt’s hier:
Nun will ich mehr. Zeit, meine Ausrüstung auf Vordermann zu bringen. Da kommt der Winter-Ausverkauf im Februar bei Galaxus gerade zur rechten Zeit. Ich schlage zu und decke mich von Kopf bis Fuss ein. Ski und Schuhe werde ich bis auf weiteres jeweils im Skigebiet mieten.
«Du kannst gerne bei mir übernachten, falls es dich nicht stört, auf einer Luftmatratze zu schlafen». Nein, das stört mich überhaupt nicht. Kollege Manuel Wenk hat mich auf ein langes Wochenende nach Einsiedeln eingeladen. Von dort ist es ein Katzensprüngli nach Unteriberg und schliesslich auf den Hoch-Ybrig. Willkommen im Wendyland. Wendy Holdener ist hier allgegenwärtig. Praktisch kein Haus ohne Banner, das auf die Erfolge der Einheimischen hinweist. Hier hat sie das Skifahren gelernt. Und was Wendy recht ist, kann mir nur billig sein. Schliesslich werden hier Doppel-Weltmeisterinnen gemacht.
Es ist kurz nach 10 Uhr morgens an einem Freitag, als ich an der Talstation in Unteriberg aus dem Postauto steige. Der Regen klatscht mir ins Gesicht, Nebel hängt in den Tannen. «Vielleicht bleibst du heute besser im Trockenen und verbringst den Tag mit Kaffeetrinken», schiesst es mir durch den Kopf. Blödsinn, ein alter Indianer kennt keinen Schmerz und so ein bisschen Nass schadet nicht. Diese Haltung werde ich später noch bereuen. Vorerst meint der Busfahrer mitfühlend, dass ich ziemliches Pech mit dem Wetter hätte. Die letzten Wochen habe nur die Sonne geschienen. «Wären Sie mal früher gekommen», brummelt er zum Abschied, schliesst die Türe und lässt mich im Regen stehen. Kurz darauf bin ich an der Bergstation Sternen auf 1811 Metern über Meer. Aus dem Regen ist unterdessen nasser Schnee geworden, der Nebel hängt jetzt überall.
Es ist kurz vor 15 Uhr, als ich mich entschliesse, für heute Feierabend zu machen und die letzte Abfahrt des Tages unter die Bretter zu nehmen. Vom Himmel fällt unterdessen Schneeregen, der Nebel ist zu einer undurchdringlichen, grauen Brühe mutiert. Und trotzdem ist es der perfekte Tag für mich. Das Skifahren hat mich wieder. Ich liebe es. Und das Wetter kann mich mal.
Stechender Schmerz in der linken Rippe. Gleich gibt's noch mehr davon in der linken Hand. Ich liege Kopf voran auf der Piste. Das Wetter hat mich mal ... und sofort wird mir klar, dass da etwas kaputt gegangen ist. Der Verschneider im klebrigen Schnee hat unangenehme Folgen. Und der Tag ist nur fast perfekt. Er endet in der Notaufnahme des Spitals Einsiedeln. Diagnose: Bruch des Mittelhandknochens. Wäre ich doch nur früher gekommen oder Kaffee trinken gegangen.
Ein paar Tage später. Nächster Halt PAHoA. Ist kein Surfergruss auf Hawaii. Es steht für «Perioperative Anästhesie Holding-Area» im Kantonsspital Baselland. Hier sind sie auf Handchirurgie spezialisiert. Und in der PAHoA wird mein gebrochenes Teil für die Operation vorbereitet. Der Narkosearzt checkt mit Ultraschall meine Nervenbahnen im Oberarm durch und fragt, ob ich Boxer sei. Der gebrochene Mittelhandknochen sei eben eine der klassischen Verletzungen dieser Sportart. Ich ein Boxer? Schön wär's! Dann hätte ich jetzt bestimmt eine knackige Story über einen epischen Faustkampf zu erzählen. Statt einfach nur beim Skifahren hinzufallen. Plötzlich hält der Arzt inne und sagt: «Mein Gott, der ist ja riesig.» Wie meinen?
«Sehen Sie diesen weissen Punkt hier links?», er zeigt auf den Ultraschall-Monitor, «Das ist einer Ihrer Nerven. Der ist normalerweise dreimal kleiner. Sowas habe ich ja noch nie gesehen.» Okay, danke. Ich habe anscheinend starke Nerven. Die werde ich in den kommenden Stunden noch brauchen.
Von der PAHoA in den OP und wieder zurück. Oder wie der Draht in die Hand kommt. Das willst du doch sicher nicht verpassen, oder? Eben. Darum folge hier meinem Autorenprofil.
Vom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.