

«The Outer Worlds»: Ein schrilles, schräges Weltraumabenteuer

Entwickler Obsidian fokussiert sich in «The Outer Worlds» ganz auf seine Stärken. Tolles Charakterdesign, witzige Dialoge und eine bunte Welt – im übertragenen wie im wörtlichen Sinne.
Fast zeitgleich wie dir Bethesda für das gescheiterte «Fallout 76» ein kostenpflichtiges Abo andrehen will, erscheint «The Outer Worlds» von Obsidian. Dem Studio, das mit «Fallout New Vegas» eines der beliebtesten Spiele der Reihe geschaffen hat. Nun melden sich die Entwickler zurück mit einem Open-World-Action-Rollenspiel, das am einfachsten als ein «Fallout» im Weltraum beschrieben werden kann. Dabei hat es bei genauerem Hinsehen fast mehr Ähnlichkeiten mit «Mass Effect».
Weniger ist mehr

«The Outer Worlds» spielt in einem von zehn Konzernen beherrschten Sternensystem namens Halcyon. Du wirst nach 70 Jahren Kryoschlaf auf einem vermeintlich verschollenen Kolonieschiff vom leicht verrückten Wissenschaftler Phineas Vernonen Welles geweckt. Er möchte, dass du ihm dabei hilfst, die restlichen Kolonisten zu retten. Das widerspricht allerdings dem Interesse des Boards, das von den CEOs der Megakonzerne geleitet wird. Du kannst, wenn du Lust hast, deinen Erwecker bei der erstbesten Behörde verpfeifen. Das Spiel geht dann einfach in eine etwas andere Richtung. «The Outer Worlds» lässt dir ziemlich viele kreative Freiheiten.

«The Outer Worlds» ist ein überschaubares Spiel. Zumindest wenn man es mit «Skyrim», «Fallout 4» und dergleichen vergleicht. Statt dich in eine gigantische Welt zu schubsen, wo sich Quest und Aktivitäten zwangsläufig wiederholen, setzt Obsidian auf ein bewussteres Design. Du bereist auf deinen Abenteuern eine Reihe von Planeten, die du mit allen Nebenquest in der Regeln in drei bis vier Stunden abgearbeitet hast. Das meiste davon ist optional. Aber weil du nicht zugemüllt wirst mit Aufgaben und die Welt nicht ausufernd gross ist, fühlt sie sich kompakter, liebevoller und zusammenhängender an.
Charakter, denen du zuhören willst

Der erste Moment, an dem mich das Spiel an die Weltraum-Seifenoper «Mass Effect» erinnert, ist als ich Groundbreaker betrete. Eine wuselnde Raumstation mit bunten Leuchtreklamen und gigantischen Raumschiffen, die majestätisch am Glasdach vorbeigleiten. An jeder Ecke begegnest du sonderbaren Personen. Wie etwa den Gemischtwarenhändler Moon Man, der eine riesige Mondmaske trägt, die er offenbar nie abnehmer darf und die ich unbedingt haben muss. Was er ebenfalls nicht darf, ist sich von seinen strikten Firmen-Slogans entfernen. Egal wie tief du bohrst, er findet immer einen Weg, Konzern-Werbung zu machen – ausser du bohrst wirklich, wirklich tief.
Obsidians Stärke sind wie immer die Charaktere. Angefangen beim schusseligen Doc, lernst du auf deinen Reisen ständig neue verrückte Gesellen kennen. Einige davon kannst du in deine Crew aufnehmen. Denn wie bei «Mass Effect» füllst du dein Raumschiff mit der Zeit mit einer ganzen Truppe Weltraumabenteurer. Zwei davon können dich auf deinen Ausflügen begleiten. Es lohnt sich verschiedene Kombinationen auszuprobieren, denn die Gespräche unter den Teammitgliedern sind äusserst unterhaltsam. Und jede Figur hat ihre eigene Questreihe, die du nicht verpassen solltest.

Nicht nur deine Kameraden sind ziemlich redselig. Wie man es aus «Fallout» und ähnlichen Openworld-RPGs kennt, hat jeder NPC mit einem Namen über dem Kopf etwas zu erzählen. Die Gesichter sind dabei einigermassen glaubhaft animiert, die Gesichtszüge und Körperhaltung bleiben aber relativ statisch. Das mindert den Unterhaltungswert der Dialoge aber nicht sonderlich. Was mir besonders aufgefallen ist, ist dass du endlich mal völlig absurde Fragen stellen und Dinge sagen kannst und deine Gegenüber auch angemessen darauf reagieren. Du musst dich einfach nicht wundern, wenn du angeschnauzt wirst, wenn du beispielsweise jemandes Zuhause mit dem Ausschlag auf deinem Hintern vergleichst.
Action, Skills und Crafting

Auf den Planeten und Raumstationen lauern zahlreiche Gefahren, die du mit einem riesigen Arsenal an Waffen den Garaus machen kannst. Ein Zeitlupen-System hilft dir beim Zielen. Allzu viel taktische Tiefe solltest du vom Kampfsystem nicht erwarten. Die Waffen vom Laserhammer zum Plasmawerfer sorgen immerhin für Abwechslung. Natürlich gibt es auch ein Crafting-System. Du kannst Waffen und Ausrüstungen mit Mods versehen, sie upgraden oder sie zu Ressourcen verarbeiten. Das Design der Rüstungen und Waffen ist absolut top und setzt wie der Rest des Spiels auf Raygun Gothic.
Das Skillsystem ist überschaubar, lässt aber dennoch viele Spielstile zu. Vernachlässigst du deine Intelligenz beispielsweise komplett, spricht deine Figur als wär sie auf den Kopf gefallen. Das ergibt völlig neue Dialogoptionen und sorgt für noch schrägere Gespräche. Zusätzlich gibt es Perks wie mehr Inventarkapazität oder Schnellreisen trotz Überlastung.
Ich bin ein Staubsauger

«The Outer Worlds» ist kein perfektes Spiel. Das Leveldesign ist zwar ansehnlich, die Grafik ist bei näherer Betrachtung nicht die knackigste. Das zeigt sich auch in den Animationen oder den immergleichen Charaktermodellen. Alle Menschen in Halcyon sind mittelgross und schlank. Und dass du ständig und überall jede Schublade und Kiste durchwühlen musst und jede Cornflakespackung einsammelst, wird mit der Zeit anstrengend. Zwingt mich jemand dazu? Nein. Kann ich damit aufhören? Nein. Immerhin ist es längst nicht so schlimm wie in «Fallout», wo du jeden verdammten Löffel und Ventilator einstecken kannst.
«The Outer Worlds» bietet dir 20 bis 40 Stunden Unterhaltung. Durch die verhältnismässig kurze Länge des Spiels, wird das Gameplay nie repetitiv und die Levels nie langweilig. Es bietet viel Abwechslung, eine packende Geschichte, eine fantasievolle Welt und jede Menge ikonischer Figuren, die dir den Aufenthalt in Halcyon unvergesslich machen. Dem gegenüber steht eigentlich nur die typischen Schwächen solcher Open-World-Spiele. Wenn ich wie ein Besessener jede Kiste, jede Leiche und jeden Schrank durchwühle, komme ich mir vor wie ein nimmersatter Weltraumstaubsauger. Und streng genommen läuft auch das Gameplay immer aufs selbe hinaus. Quatschen, rennen, schiessen, looten, zurückgehen. Aber das wäre dann doch wieder etwas zu kurz gegriffen. Das Gesamtpaket, dass Obsidian mit «The Outer Worlds» abliefert, ist schrill, verrückt und auf jeden Fall einen Blick wert.
«The Outer Worlds» gibt es für PC, PS4 und Xbox One. Der Code wurde uns zur Verfügung gestellt.


Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.