
Ratgeber
Kein Garten oder Balkon, kein Problem: So spriessen Kräuter auch drinnen
von Darina Schweizer
Kräuter im Wohnzimmer anbauen ist einfach, haben sie gesagt. Du musst nur die passende Erde nehmen und richtig giessen, haben sie gesagt. Nun: Sie haben sich getäuscht, die Internetquellen. Ein Indoor-Kräuter-Drama in neun Akten.
Achtung: In diesem Beitrag gibt es Tote. Verdurstete und Kollabierte. Ausserdem grosse Enttäuschungen. Vielleicht zwischendurch den einen oder anderen Hoffnungsschimmer. Doch eines ganz bestimmt nicht: ein Happy End.
Alles beginnt an einem idyllischen Ort: auf meiner sonnigen Fensterbank. Es ist ein warmer Frühsommertag im Mai. Überglücklich säe ich Thymian-, Oregano- und Salbei-Samen. Dass die Töpfe zu klein sind, die Erde zu grob und auch noch das ganze Saatgut auskippt, darüber sehe ich noch hinweg.
In den nächsten Tagen bleibt es still. Zu still? Eine Ungewissheit macht sich in mir breit. Denn: An der Erdoberfläche tut sich nichts. Gar nichts. Ich versuche mich in verschiedenen Giess- und Abdecktechniken. Ich probiere, die Hoffnung zu bewahren. Fast verliere ich sie komplett. Doch dann, am achten Tag, der Wendepunkt: die Sprösslinge erblicken das Licht der Welt. Zuerst Salbei, dann Thymian, dann Oregano.
Es folgt das pure Kräuterglück. Meine Sprösslinge schiessen in die Höhe, bilden die ersten Blättchen, gedeihen einfach nur prächtig. Als glückliche Kräutermutter gebe ich mir die grösste Mühe. Bloss nicht zu viel Wasser, aber möglichst viel Licht, lautet das Credo bei meinen mediterranen Sprösslingen. Doch plötzlich stehe ich vor einem Problem: Die Sonne trocknet die Erde in den winzigen Töpfen auf der Fensterbank viel zu schnell aus. Nun nimmt das Drama seinen Lauf.
Als ich eines Tages nach meinem Salbei, Thymian und Oregano schaue, liegen sie alle platt auf der Erde. Etliche Wiederbelebungsversuche mit Wasser folgen. Mühselig erheben sich die Kräuter wieder. Bis sie kurz darauf wieder kollabieren. Es ist ein Auf und Ab. Das muss aufhören.
Zeit für einen Ortswechsel: Meine Sprösslinge kommen in einen grösseren Topf, wie es meine Internetquellen empfehlen. Und sie kommen raus aus der direkten Sonne. Von jetzt an muss ich sie nur alle paar Tage giessen. Ich spüre Erleichterung. Und Stolz. Bis es in meinen Ohren plötzlich kaum hörbar zu summen beginnt.
Ich schaue genau hin: Ein paar winzige Trauermücken kreisen um meine Sprösslinge. Mein Beschützerinstinkt ist geweckt. Ich mache das, was Kräutermütter nun mal tun: Ich begebe mich auf Schädlingsjagd. Rund um die Töpfe stelle ich Todesfallen aus Rotwein, Spülmittel und Wasser auf. Dutzende Mücken ertrinken kläglich. Jede einzelne ist eine Genugtuung. Doch leider kommen auch Dutzende nach. Bald schwirrt es nur so um die Töpfe. Und täuscht das oder wachsen die Kräuter plötzlich nicht mehr richtig?
Es täuscht nicht. Die Kräuter bilden kaum mehr Blättchen, wachsen einfach nicht mehr weiter. Im Internet erhalte ich die Hiobsbotschaft: Die Larven der Trauermücken könnten die Wurzeln angefressen haben. Behutsam grabe ich meine Sprösslinge aus und kippe die Erde weg. Ernüchtert wasche ich ihre Würzelchen sauber. Sanft bette ich sie in neue Erde, diesmal spezifische Zimmerpflanzenerde. Ein erster Hoffnungsschimmer: Die Trauermücken sind verschwunden.
Doch leider verschwindet auch etwas anderes: meine Kräuter. Das satte Grün ihrer Blättchen verblasst allmählich. Wie Greise neigen sie erst ihre Köpfe und dann ihren ganzen Körper in Richtung Erde. Die Katastrophe ist eingetreten. Am Boden zerstört verabschiede ich mich von meinen Sprösslingen.
Was bleibt, ist ein einziger Überlebender. Mein Erstgeborener: der Salbei. Nach seinem Kampf durch kargste Erdschichten, etlichen Zusammenbrüchen, Wiederauferstehungen und schliesslich dem hart erkämpften Sieg im unerbittlichen Trauermückenkrieg steht er noch immer. Das könnte ein gutes Ende haben, denkst du? Du täuschst dich. Denn bereits beginnen auch seine ersten Blätter zu welken …
Ende der Vorstellung.
Welches Fazit ziehe ich nach meinem Indoor-Kräuter-Drama? Folgende Punkte hätte ich anders machen können:
Und jetzt? Ist der Vorhang gefallen? Nein, nicht ganz. Nach einer Pause werde ich eine Neuaufführung wagen. In der Hauptrolle: Eine neue Erde. Ein neues Saatgut. Und vielleicht gleich ein Smart Garden:
Hattest du mehr Erfolg mit Indoor-Kräutern? Verrate mir deine Tipps in einem Kommentar.
Ich mag alles, was vier Beine oder Wurzeln hat. Zwischen Buchseiten blicke ich in menschliche Abgründe – und an Berge äusserst ungern: Die verdecken nur die Aussicht aufs Meer. Frische Luft gibt's auch auf Leuchttürmen.