Skulpturale Kerzen
Würdest du sie anzünden?
- Ja39%
- Nein21%
- Vielleicht. Ich warte auf den Praxistest von dir.39%
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Ist das Kunst oder kann das angezündet werden? Diese Kerzen gleichen Skulpturen. Trotzdem sind sie zum Verbrennen gemacht.
Neuerdings sind Kerzen mehr als nur ein Anhängsel von Windlichtern oder Laternen. Sie werden als eigenständiges Wohnaccessoire auf sämtlichen Social-Media-Plattformen gehypt. Violaine Carossino inszeniert ihre obstförmigen Kerzen auf dem Esstisch und Andrea Burke ihre neonfarbenen Stimmungsmacher auf dem Sideboard. Mit dem Ergebnis, dass beide dafür bis zu 2000 Likes ergattern. Was hat es mit dem Hype auf sich?
Wenn du an Kerzen denkst, hast du wahrscheinlich ein Teelicht oder eine Stumpen- oder Stabkerze im Kopf. Stellst du dir hingegen einen Kerzenständer vor, wird es schwieriger abzuschätzen, was du vor Augen hast. Das liegt daran, dass sie schon immer divers waren. Kerzen waren hingegen schon immer normiert, meistens weiss und unspektakulär. In der letzten Zeit findet jedoch ein Wandel statt: Kreative Köpfe holen mehr aus dem Alltagsgegenstand raus. Sie fertigen Designs an, die sowohl ein funktionales Objekt als auch eine wandelbare Skulptur sind.
Den Anfang machten Studios wie Grain. Im Jahr 2014 geben sie dem Dauerbrenner ein Redesign und nennen es «Totem Candle». Die skulpturale Kerze aus Paraffinwachs entsteht zufällig in einem Experiment mit Bienenwachs auf einer Drehscheibe. Sie ist nach einem Pop-up-Verkauf so beliebt, dass die amerikanische Wohnaccessoire-Marke «Areaware» später zum offiziellen Händler wird. Im selben Jahr begeistert auch der Entwurf «Milk Candle» von Andrej Unam aus Brooklyn. Diese Kerze hat ihre charakteristische kugelige Form einer 3D-gedruckten Gussform zu verdanken. Heute wird sie oft kopiert. Das Original gibt's aber nur in Weiss.
2016 folgen die eigenwilligen Kerzen in Form eines Romanescos oder einer Bittermelone von der Künstlerin und Designerin Piera Bochner. Um die Kerzen herzustellen, schmilzt sie verschiedenfarbige Wachse einzeln und giesst sie in eine Form. Bevor die nächste Schicht hinzugefügt wird, lässt sie das Wachs jeweils abkühlen. In diesem Jahr wird Lex Pott mit seinem Entwurf «Knot Candle» besonders gefeiert. Der in Rotterdam ansässige Designer ist dafür bekannt, reine Formen und Materialien für seine reduzierte Ästhetik einzusetzen. Obwohl die «Twist Candle» aus einem Guss ist, kann sie im Vergleich zu anderen Kerzen an zwei Enden brennen. Sie gehört neben Totem, Milk oder Romanesco seit Anfang Jahr zu den beliebtesten Motiven auf Social Media.
Es verwundert nicht, dass der Hype um Kerzen ausgerechnet in Zeiten des Social Distancings aufflammt. Sie waren schon immer ein Mittel, um es sich zuhause gemütlicher zu machen. Ausserdem waren sie auf Social Media noch nicht so verbreitet. Seit Anfang Corona werden sie wie das Bett oder der Spiegel zum neuen Objekt, um das Insta-Profil aufzuhübschen.
Für mich sind die kunstvollen Kerzen viel zu schade – und zu teuer – um sie anzuzünden. Bei genauem Hinsehen scheint es den Instagrammern gleich zu gehen. Ihre Kerzen sind auf den Fotos oft unberührt. Der Preis ist schliesslich auch fast mit dem einer Skulptur vergleichbar. Er liegt schnell einmal bei fünfzig Franken. Wäre dir der Hype das wert?
Würdest du sie anzünden?
Der Wettbewerb ist inzwischen beendet.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.