
Hintergrund
Mit dem Fixie nach Marokko #7: Land in Sicht!
von Jonathan Perraudin und Christoph Zuidema
Nach der letzten Uni-Prüfung zieht es Jonathan und Christoph raus in die Welt. Nicht all-inclusive auf die Kanaren, sondern so ziemlich ohne alles nach Marokko – nur mit Fixies und leichtem Gepäck. Hier berichten sie von ihren Erlebnissen. Diesmal: Engel, Gokarts und Österreicherinnen im «BlaBlaCar».
Zehn Pannen, 2100 Kilometer und eineinhalb Dosen Chamois Creme (Kaufempfehlung von uns) später liegen wir im Liegestuhl am Strand von Tarifa. Nachdem wir den Blick über den Horizont schweifen lassen, schauen wir uns verdutzt an. Für die letzten 15 Kilometer finden wir weder Veloweg noch Autobahn, Einbahnstrasse oder Schotterpiste.
Doch alles der Reihe nach. So weit getrauen wir uns kurz nach Almeria vor einigen Tagen noch nicht zu denken. In Velotrikots, mit einer ordentlichen Salzkruste in den Haaren und einem Berg an Speisen auf dem Teller sitzen wir an unserem Tisch. Dies ist das Bild, das sich den alten Herren bietet, die gerade aus der einzigen Spelunke dieses kleinen Dorfes herausspaziert kommen. Doch uns widmen sie kaum Aufmerksamkeit und mustern lieber unsere Fahrräder.
Nachdem sie lange nach dem E-Motor suchen, machen wir sie darauf aufmerksam, dass wir diesen bei der Abfahrt vergessen hätten. Darauf haben sie dann eine Menge zu sagen, merken aber enttäuscht, dass wir kein Spanisch können. Trotzdem versuchen sie uns zu erklären, dass die Vuelta irgendwo hier durchgefahren sei. Und da wir immer sagen, wir sprechen nur Englisch, halten sie uns sofort für Engländer und erzählen uns die gute Neuigkeit, dass ein Engländer an der Vuelta in Führung liegt. Uns interessiert das leider überhaupt nicht – wir tun aber so und alle haben Freude.
Mit Erstaunen stellen sie dann fest, dass wir aus der Schweiz sind und möchten wissen, wie viele Kilometer es bis Barcelona sind (warum auch immer?). Christoph antwortet auf Spanisch (!!!), es seien etwa 1000 km. Die Gruppe Männer reagiert, als hätte man gerade die spanische Königsfamilie beleidigt, den Weihnachtsmann als eine Illusion bezeichnet und Katalonien für unabhängig erklärt. Sie glauben uns kein Wort mehr und sind sich absolut sicher, dass es 900 km sind und keine 1000 km. Was sind wir denn für Banausen!
Unbeirrt fahren wir weiter Richtung Süden, geniessen die Tapas, den Rotwein und die geselligen Leute. Da unser Spanisch von Tag zu Tag besser wird, aber mit jedem Bier wieder abnimmt, sind wir nicht unglücklich, in Alicante auf eine Gruppe Österreicherinnen zu treffen. Nicht mit dem Fixie, aber mit dem «BlaBlaCar» sind sie durch Spanien unterwegs – originell, wie wir finden.
Als sich herausstellt, dass sie die gleiche Route wie wir fahren, träumen wir schon von Vuelta-ähnlichen Zuständen mit Begleitfahrzeug, Ersatzrädern, Zwischenverpflegung und Nummerngirls. Doch diese Illusion wird schnell zerstört. Immerhin wird uns ein Bier in Malaga versprochen. Dieses wollen wir dann gerne in Anspruch nehmen, doch wurde ihnen bei ihrem Strandabenteuer die Tasche geklaut. Sind wir froh, dass wir uns nicht in solche Gefahr begeben.
Ab und an tauchen Radfahrer-Engel aus dem Nichts auf und bewahren uns vor eben erwähnten Gefahrenquellen. So zum Beispiel Luis. Erst versuchen wir noch – wie immer – uns ein wenig mit dem fremden Sportler zu messen. Doch gegen ihn ist es aussichtslos. Zu locker meistert er jeden kleinen Hügel, zu flink schlängelt er sich mit seinem Carbon-Rahmen durch die Staus. Immerhin holen wir ihn bei einer Ampel wieder ein und kommen ins Gespräch. Perfektes Französisch, Spanisch und Englisch stehen zur Auswahl. Was für ein Segen.
Als Luis von unserem Vorhaben erfährt, an diesem Tag bis nach Tarifa zu fahren, kann er über unsere Ausrüstung nur lachen. Er empfiehlt uns, ein Stück die Autobahn zu nehmen, denn unweit von hier gäbe es ansonsten noch eine ordentliche Steigung. Offensichtlich traut er unserer Kondition nicht viel zu. Nun, uns ist's recht. Am Vortag hat das Sightseeing in Malaga bis tief in die Nacht gedauert. Er bietet uns an, noch ein Stück mit uns mitzufahren und uns den Weg zu zeigen. Wir hecheln zustimmend, Luis schaltet zufrieden einen Gang höher.
Glücklicherweise erscheint eine Gokart-Bahn zu unserer Linken und wir können Luis überzeugen, hier eine Pause einzulegen. Natürlich nur wegen den Karts. Wir hätten noch locker Stunden mit ihm mitfahren können, aber erhofften uns wohl, dass die Rangordnung ein für allemal auf der Rennbahn entschieden werden könnte. Zum Selbstschutz und angesichts der Gefahr, dass dieser Blog sonst bald von Luis geführt werden könnte, verzichten wir auf das Veröffentlichen der Resultate. Unsere Wege trennen sich dann doch einige Kilometer vor Tarifa und wir sind auf unseren nächsten Engel angewiesen. Ein Engel, der sogar 15 Kilometer Wasserweg zu meistern weiss. Was man wohl hier so auftreiben kann? Wir werden es in den nächsten Tagen rausfinden.
Was sonst noch geschah: