
Hintergrund
Mit dem Fixie nach Marokko #6: Per Gokart nach Tarifa?
von Jonathan Perraudin und Christoph Zuidema
Nach der letzten Uni-Prüfung zieht es Jonathan und Christoph raus in die Welt. Nicht all-inclusive auf die Kanaren, sondern so ziemlich ohne alles nach Marokko – nur mit Fixies und leichtem Gepäck. Hier berichten sie von ihren Erlebnissen. Diesmal: ein Boot, zwei Kajaks und das Ziel einer langen Reise.
Wir können Marokko schon sehen. «Mit der richtigen Strömung und bei gutem Wetter braucht ihr etwa fünf Stunden, sofern ihr die Pace von drei Knoten pro Stunde einhalten könnt», bekommen wir gesagt. Ja, locker schaffen wir das. Halt! Mit einem Kajak und nicht mit dem Fahrrad? Drei Knoten klingt in unseren Köpfen nach wenig und mit Kajaks sind wir vor ein paar Jahren auch schon gepaddelt – wenn auch nur auf dem welligen Zürichsee. Über die Möglichkeit, die Meerenge von Gibraltar paddelnd zu überwinden, hatten wir uns schon früh informiert und das Treffen mit unseren Begleitern Chris und Jana organisiert. Deal! Die Überfahrt nach Afrika ist also geklärt. Zumindest auf dem Papier.
Es ist noch stockfinster, als wir zwei schläfrigen Gestalten uns kurz vor halb acht Uhr in der Früh auf unsere Sättel schwingen. 25 Kilometer und 400 Höhenmeter über einen Hügel trennen uns vom abgemachten Startpunkt in Algeciras, wo Kajaks und Begleitboot warten. Da wir keine Konzession besitzen, den direktesten Weg zu paddeln, fahren wir erstmal mit dem Boot zu einem Felsen, wo wir die Kajaks einwassern können. Und da das Boot eine ordentliche Segelyacht ist, ist Christophs Wille, sich Columbus zu nennen und in die Karibik zu segeln schon ein wenig grösser als seine Lust, sich jetzt in eine Plastikschale zu setzen und los zu paddeln. Aber da es auf unserer Reise keinen freien Willen gibt und wir stur auf unser Ziel hinarbeiten, sitzen zwei Studenten also im Kajak mit Kurs Richtung Afrika.
Nach zehn Minuten scheint das Boot ein wenig Vorsprung im Rennen herausgefahren zu haben und unsere Begleiter beginnen, ihr Geld auf unser Scheitern zu setzen. Stopp! Das ist nicht das in der Theorie geplante Prozedere. Wir zwei Fluiddynamikexperten (einen Dank an unseren Professor) profitieren von unseren technischen Kenntnissen und wissen, dass man am wenigsten Energie verbraucht, wenn man möglichst nah am Boot fährt.
Für diesen Vorteil verzichten wir auf jegliche Sicht auf Delfine und sonstige Meerestiere, die freudig links und rechts auftauchen. Und ausserdem sind wir nah am Boot auch nah an den frischen Sandwiches, die uns Jana liebevoll zubereitet, nachdem sie dem Autopiloten kurzzeitig das Steuern überlässt. Das Essen ist ja immer noch das Wichtigste. Nach sagenhaften drei Stunden und 20 Minuten und für Christoph nach gefühlten zwei Tagen erreichen wir einen Strand auf dem afrikanischen Kontinent.
Genüsslich stürzen wir ein Bier runter (was für ein Paradox, genüsslich und runterstürzen 😉). Danach geht’s weiter zu einer Bootstankstelle in Ceuta und wir springen an Land, als wäre nie etwas geschehen. Nach einem Kaffee und einem gescheiterten Versuch, ein paar Dirham aufzutreiben, zieht es uns an die marokkanische Grenze.
In diesem unglaublichen Chaos versuchen zwei Velofahrer sich irgendwie durch den Zoll zu schmuggeln. Ein Polizist hält uns an und fragt nach dem Stempel. Ups, stimmt, den braucht’s wohl noch. Mit ein bisschen Drängeln haben wir den Stempel nach etwa fünf Minuten gekriegt und nichts dafür gezahlt – verdammt, wir sind langsam richtig gut. Wir fahren also über die marokkanische Grenze und merken, dass Christophs Hinterrad wieder mal einen Speichenbruch erlitten hat. Doch man findet wohl eher einen Badehosenladen in der Antarktis als einen Velomech an dieser Grenze.
So kommt es, dass wir mit einem ehemaligen Drogenschmuggler als Taxifahrer nach Tangier gelangen. Er plaudert aus dem Nähkästchen und erzählt, wie genau man per Schiff fünf Tonnen Kokain und Hasch nach Italien bringt. Da das nicht zur Nachahmung geeignet ist und er eineinhalb Jahre diverse spanische Gefängnisse besuchte, verzichten wir hier auf eine detaillierte Beschreibung.
Falls er aber mal eine Ladung nach England verschiffen wollte, hätten wir auf unserer Reise ein paar Abnehmer getroffen. Er winkt ab. Diese Zeit sei vorbei. Auch er habe seine Lektion gelernt. Und wir? Was haben wir aus dieser ganzen Zeit mitgenommen? Was haben wir gelernt? Was passiert als nächstes?
Zuerst müssen wir je dreimal die Wohnung putzen, damit wir wieder à jour mit dem Ämtliplan unserer WG sind. Die Professoren müssen beruhigt werden, dass wir dieses Semester doch noch studieren und nicht Vollzeitvelofahrer werden. Ob das wohl die richtige Entscheidung ist? Wir werden es nie wissen. Das Leben hat uns aber immerhin erneut gezeigt, dass aus etwas Kleinem – einer Idee und einem Mail – etwas Grosses entstehen kann. Zumindest für uns persönlich. Dazu braucht es ein wenig Glück, eine Prise Wille und eine Portion Naivität. Wer hätte schon gedacht, dass ein Gang bis nach Marokko reicht.
Alle Geschichten von unterwegs:
Wir fahren diesen Sommer von Zürich aus los, probieren uns mit Fixies im Skidden, brettern über Pässe und machen erst wieder halt, wenn wir am Strand von Marokko angekommen sind.